Kanzel und E-Gitarre
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Musiker wollen mehr Pop in die Kirche bringen
Das Piano neben dem Taufstein, die E-Gitarre an der Kanzel: Wenn es nach dem "Netzwerk Popularmusik" in der hannoverschen Landeskirche ginge, gäbe es diesen Anblick und diesen Sound in der evangelischen Kirche viel öfter. "Populäre Musik trifft den Musikgeschmack der Mehrheit von Kirchenmitgliedern", sagt Geschäftsführer Andreas Hülsemann. Diese Musik müsse deshalb in Gottesdiensten und Fortbildungen selbstverständlich werden. Um ihrer Forderung nach professionell unterstützter Popmusik Nachdruck zu verleihen, haben die Initiatoren am Donnerstag in Hannover zehn Thesen vorgestellt.
"Wenn wir uns für die Popmusik in der Kirche stark machen, reagieren wir auf die Hörgewohnheiten der Menschen", unterstreicht Hülsemann. Auch die heute 60- oder 70-Jährigen seien mit dem Jazz, Rock und Pop der Nachkriegszeit aufgewachsen. "Sie haben deswegen auch ein Recht, solche Musik in Gottesdiensten vorzufinden." Populäre Musik mache dichte emotionale Erlebnisse möglich und könne dazu beitragen, dass mehr Menschen in die Kirche kämen.
Rund 500 Gospelchöre und etwa hundert Bands gibt es derzeit in der Landeskirche zwischen Göttingen und Cuxhaven - eine wachsende, dynamische und sich stetig verändernde Szene. Allerdings gibt es auch ein Problem: "Wir haben viele neue Songs", erläutert Hülsemann. "Aber wir haben noch nicht genug Menschen, die diese Lieder in Szene setzen." Damit dies künftig immer öfter möglich wird, braucht es aus seiner Sicht mehr professionelle Fortbildung für junge Musiker. Und dafür müsse die Kirche Geld in die Hand nehmen.
Für rund hundert Fortbildungen pro Jahr in den 49 Kirchenkreisen der Landeskirche sind rund 200.000 Euro im Jahr nötig, rechnet Hülsemann. Auch unter klassisch ausgebildeten Musikern gebe es einen sehr hohen Bedarf, neue Lieder im Pop-Stil musikalisch begleiten zu können.
Der Freiburger Kirchenmusiker Martin Gotthard Schneider gab vor 55 Jahren die Initialzündung für die christliche Popmusik in Deutschland. Sein 1961 erschienenes Lied "Danke für diesen guten Morgen" ist heute ein Klassiker und hat längst einen Stammplatz im Gesangbuch.
Bei Kirchentagen und großen Events sei christliche Popularmusik heute etabliert und werde gefeiert, erläuterte der für Jazz, Rock und Pop zuständige Kirchenmusikdirektor Wolfgang Teichmann aus Hildesheim. In den Strukturen und an der Basis sei die neue Stilrichtung aber noch nicht richtig verankert. Das müsse sich dringend ändern.
An einem will Teichmann nicht rütteln: "Die Orgel ist und bleibt das Hauptinstrument der Kirche." Doch auch junge Leute, die Gitarre, Schlagzeug oder Saxofon spielten, bräuchten mehr Chancen und Anleitung von Profis. Mit diesem Ziel hat vor vier Jahren Til von Dombois als "Pop-Kantor" im Raum Hannover seine Arbeit aufgenommen. Mit Marco Knichala gibt es seit kurzem im Landkreis Schaumburg einen zweiten Profi-Popmusiker in kirchlichen Diensten - mit einer halben Stelle. Teichmann und Hülsemann sowie die vielen Bands und Gospelsänger hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht.