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Andacht zum 17. Sonntag nach Trinitatis
So beschreibt der Apostel Paulus den Weg zum Glauben an Christus. Er beschreibt diesen Weg in seinem Brief an die Christen in Rom, in den Kapiteln über die Begegnung und Auseinandersetzung von Christen und Juden: Menschen hören von Christus durch Prediger, schenken ihrer Predigt Glauben und finden so zum Glauben an Christus.
Wie ist das bei uns? Wie finden Menschen heute zu Christus, zum Glauben daran, „dass Jesus der Herr ist und dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat“? Welche Rolle spielt dabei die Predigt? Finden Menschen durch die Predigt zum Glauben an Christus?
Von einer Predigt im Gottesdienst erwarte ich im Wesentlichen zweierlei: Ich möchte, dass mir der Prediger oder die Predigerin den Bibeltext erklärt. Gerade in diesem Jahr mit seiner Predigttextreihe II, die auf den Epistel-Lesungen im Gottesdienst basiert, verspüre ich oft den Wunsch nach Erklärungen. Dabei hilft es mir, wenn ich den Eindruck gewinne, der Prediger seinerseits hat den Text verstanden und kann ihn so elementarisieren, dass auch ich ihn verstehe.
Zum anderen erwarte ich, dass das Predigen „durch das Wort Christi“ kommt, dass Christus selbst zu Wort kommt, dass ich seinen Zuspruch für mein Leben und seinen Anspruch auf mein Leben vernehme. Nach evangelischem Verständnis gehört solches Predigen zur Kernkompetenz evangelischer Gottesdienste.
Das Predigen, das aus dem Wort Christi kommt, ist jedoch nicht auf die Predigt im Gottesdienst beschränkt. Häufig und möglicherweise auch nachhaltiger halten uns solche Menschen eine Predigt, die sich selbst gar nicht als Prediger bezeichnen würden. Ich habe mich im Anschluss an die Worte des Paulus selbst gefragt: Was hat mich in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten im Glauben an Christus bleiben lassen?
Das Theologiestudium war es nicht. Das kann man realistischerweise auch nicht erwarten. Meine Kirche war es auch nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich das jemals von meiner Kirche erwartet habe. Allerdings waren es Menschen in meiner Kirche, die den Glauben an Christus attraktiv erscheinen ließen, darunter auch einige Predigerinnen und Prediger in Gottesdiensten und Andachten. Ganz sicher gehören dazu Menschen aus meiner Familie, etwa meine Großmutter und mein Vater, deren Sterben ich aus erster Hand miterleben durfte, manchmal auch mit erleiden musste.
Als es zum Sterben kam, haben beide nicht geklagt. Sie haben nicht um Lebensverlängerung gebettelt. Sie waren nach einem erfüllten Leben mit viel Arbeit, mit Bibel, Gesangbuch, Luthers Kleinem Katechismus und Neukirchener Abreißkalender einverstanden mit ihrem Ende, das für sie kein Ende war. Sie glaubten fest daran, dass sie nach Haus zurückkehrten.
Das waren nachhaltige Predigten für mein Leben und meinen Glauben. Hier konnte ich erleben, dass das „Wort Christi“, die Predigt vom gekreuzigten und auferstandenen Christus alltagstauglich war, lebenstauglich und sterbenstauglich. Da habe ich die Freiheit eines Christenmenschen erlebt. So frei wie sie wollte ich auch sein, frei von der Angst vor meinem Sterben, frei von der Angst vor Gebrechlichkeit. So kommt der Glaube aus der Predigt, aus der gesprochenen und gelebten Predigt.
Pastor i.R. Wilhelm Niedernolte