Bullerbü-Idyll und Frust
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Strukturwandel in den Dörfern: Landwirtschafts-Pastorin rät zum Dialog
Die hannoversche Landwirtschaftspastorin Ricarda Rabe hat Alteingesessene und Neubürger in den Dörfern vor dem Hintergrund der herrschenden Strukturkrise auf dem Land zum Dialog ermutigt. Jammern über das fortschreitende Höfesterben helfe nichts, sagte die leitende evangelische Theologin aktuell bei einem Treffen zwischen Bauern und Kirchenvertretern im Kloster Neuenwalde zwischen Cuxhaven und Bremerhaven. Der Stader Landvolk-Bezirkschef Johann Knabbe warnte, die Landwirtschaft befinde sich aufgrund sinkender Erlöse und steigender Kosten in einer Einkommenskrise.
Die dramatische Situation münde auf einigen Höfen auch in eine Sinnkrise, ergänzte Knabbe. Stades Regionalbischof Hans Christian Brandy sagte, durch Erlös-Einbrüche etwa bei Milchvieh- oder Schweinemastbetrieben seien ganze Familien in ihrer Existenz bedroht. "Es ist wichtig, dass in dieser Situation die Kirche an ihrer Seite steht." Mit Blick auf die Verantwortung des Handels und der Verbraucher mahnte der Stader Landessuperintendent, Lebensmittel dürften nicht verramscht werden. Was Ernte und Erträge angingen, so stünden Stadt und Land in einer "solidarischen Segensgemeinschaft".
Angesichts der schwierigen Situation riet Landwirtschaftspastorin Rabe: "Nicht weggucken, sondern genau hinsehen und miteinander reden." Jährlichen schlössen bis zu fünf Prozent der Höfe, die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe steige. In Deutschland seien nur noch 1,5 bis 2 Prozent der Erwerbstätigen Landwirte. Die Veränderung komme nicht langsam. "Es ist mehr, gerade im Bereich der Milchviehhalter. Es ist eine Strukturkrise, vielleicht sogar ein Strukturbruch."
Mit den Höfen sterbe vieles, was das Bild vom ländlichen Räumen präge: "Abwechslungsreiche Feldmark, Kühe auf den Weiden, Menschen, die im Dorf arbeiten, tagsüber ansprechbar sind, etwa für Feuerwehreinsätze."
Viele Menschen, die neu in die Dörfer zögen, seien weit weg von der Landwirtschaft. "Auf der einen Seite erwarten sie ein Bullerbü-Idyll mit Hühnern auf dem Misthaufen und Schweinen in der Suhle. Auf der anderen Seite beschweren sie sich, wenn es denn mal stinkt." Die Landwirte sähen sich vielfach dem Generalverdacht der Tierquälerei und der Umweltsauerei ausgesetzt.
Anders als früher müssten Landwirte heute erklären und zeigen, was auf ihren Höfen passiere, damit sie im Dorf ihren Stand behielten. "Die Zeiten sind einfach vorbei, in denen ohne zu fragen akzeptiert worden ist, wenn nachts um drei Uhr noch die Erntewagen durch den Ort brettern oder wenn samstags Gülle ausgebracht wird." Und auch nicht jeder, der sich kritisch mit der heute praktizierten Landwirtschaft auseinandersetze, sei ein Ökospinner, betonte Rabe.
Viele wollten den Landwirten nichts Böses, fragten aber, ob Bauern nicht besser mit kleineren Betrieben ihr Auskommen hätten. Der Bremervörder Landvolk-Vorsitzender Heinz Korte sagte, das Wachstum sei ein Zwang, den sich die Betriebe aufgrund globaler Marktentwicklungen ausgesetzt sähen, um die Betriebe zu erhalten: "Das ist von uns Bauern oft nicht gewünscht." Kirchenvertreter schlugen unter anderem vor, die Betriebe in der Krise zu unterstützen, indem die Pacht für Kirchenland nicht erhöht wird.