Kraftvoller Geist
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Andacht zum 16. Sonntag nach Trinitatis
Der 11. September hat sich tief in die Erinnerung von Menschen eingebrannt. Die Flugzeuge, die in die Twin Towers fliegen, der Einsturz der Türme, die angstvollen Gesichter – Bilder, die wir nicht vergessen. Der Terror ist seitdem Teil des Lebens geworden, im Nahen Osten als tägliche Erfahrung. Aber er hat auch Europa erreicht. Frankreich, Belgien, Deutschland – die Anschläge lösen angstvolle Gefühle aus. Kann man überhaupt noch sicher sein?
Es klingt nach einer sicherheitspolitischen Frage, doch es ist eine Glaubensfrage. Was bestimmt mich in meinem Blick auf Alltag und Zukunft?
Die Bilder der Medien ziehen uns in den Bann. Wir hören die am Rande Betroffenen, deren Angst und Gefühle. Und der nächste Gang an große öffentliche Orte ist von einem mulmigen Gefühl begleitet. Dasselbe gilt, wenn wir Menschen fremdländischen Aussehens begegnen, die sich anders geben, als wir es aus unserem normalen Umfeld gewohnt sind. Und es gibt die Stimmen, die meinen, mit einer national-egozentrischen Politik könne man all dies verhindern. Lassen wir uns davon das Leben bestimmen?
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Ich bin ich dankbar, dass ich mit diesen Worten etwas höre, das meinen Blick verändert.
Gott hat uns mit seinem Geist beschenkt. Es ist nicht der Geist von Angst und Furcht. Es ist der Geist, der uns stark macht. Müsste ich mich in meinem Leben nur auf mich verlassen, auf das, was ich denke und fühle, dann wäre ich wahrscheinlich jemand, der sich der Angst und Furcht hingeben würde. Aufgrund meines Glaubens kann ich in einem anderen Geist dem gegenüberstehen, was ich erlebe und erfahre. Ich weiß mich getragen von dem, der mir in der Begegnung mit dieser Welt etwas schenkt, das mich zuversichtlich leben lässt. Dazu gehört der Geist der Liebe und der Besonnenheit.
Wir sind nach entsprechenden Ereignissen schnell geneigt, Gedanken zu äußern, die dramatisieren. Es werden Forderungen laut, die den Umgang mit Menschen verschärfen. Taten einzelner werden auf ganze Gruppen übertragen. Wir erzeugen ein Klima der Abwehr und Abgrenzung bis hin zur Ablehnung von Menschen, die zuvor Teil unseres wenig spektakulären Lebens gewesen sind.
Der Geist der Besonnenheit lehrt mich, gedanklichen Abstand zu nehmen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich von solchem Terror selber betroffen bin? Warum sollte mein ausländischer Nachbar, der bisher friedlich sein Leben geführt hat, plötzlich ganz anders sein? Warum denke ich das nur von ihm und nicht vom meinem einheimischen Nachbar? Ist das Risiko durch Terror wirklich größer als die Gefahr, in die ich mich bei jeder Autofahrt begebe? Besonnenheit verändert den Blick auf die Ereignisse des Lebens.
Der Geist der Liebe tut das Seine dazu, nicht in das ablehnende Gegenüber von „Wir“ und „Die“ zu verfallen. Vertrauen zum Menschen, Vertrauen in die Zukunft, geprägt vom Geist der Liebe führt dazu, so aufeinander zuzugehen, wie wir es für uns selber wünschen.
Mit all dem Gesagten soll die Gefahr nicht klein geredet werden. Doch der Geist, der uns lieben lehrt, ist der Geist, der uns ermöglicht, die Konsequenzen für den Alltag und das freiheitliche Denken und Leben angemessen zu bedenken. Von solch kraftvollem Geist möchte ich mein Leben bestimmen lassen.
Pastor Jürgen Grote