Startseite Archiv Tagesthema vom 01. August 2016

Vaterunser auf Farsi

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Sechs Iraner haben sich in Wollershausen taufen lassen

Lobt Gott in allen Landen – das war das erste Lied, das die Gemeinde am Sonntag, den 24. Juli 2016, im Taufgottesdienst in der St. Marien-Kirche in Wollershausen gemeinsam sang. Im Iran allerdings war es nahezu unmöglich, sich zum Christentum zu bekennen. Doch nun, nach zwei bis drei Monaten in Wollershausen, fiel der Entschluss für sechs Iraner, den Islam als Religion hinter sich zu lassen und zum Christentum überzutreten, relativ leicht.

Dabei könnten die Folgen bei einer möglichen Rückkehr in den Iran verheerend sein – es würden harte Strafen bis zum Todesurteil drohen, erklären mir die Geflüchteten später. Ihr Ziel und großer Wunsch sei aber schließlich: Deutsch lernen, eine Arbeit finden und sich ins Dorfleben integrieren.  Während der Taufzeremonie, zu dem viele Gemeindemitglieder erschienen, beteten sie gemeinsam das Vaterunser auf Farsi. 

Auch die ausgewählten Taufsprüche lasen sie einmal in ihrer Heimatsprache und nochmal auf Deutsch. „Ich hatte Ihnen die Aufgabe gestellt, ihren Taufspruch in der Bibel in heimischer Sprache zu finden“, erklärte Pastor Jens-Arne Edelmann, der die sechs Iraner mit mehrwöchigem Unterricht auf den Glaubenswechsel vorbereitet hatte.

Vorausgegangen war ein Wechsel der Kultur – und das nicht nur bezogen auf Sprache und Schrift  –  wie der Pastor während des Gottesdienstes herausstellte. „Frauen im Iran sind draußen verschleiert, sie haben viel weniger Rechte, dürfen nicht Fahrrad fahren und haben kein Wahlrecht“, erklärte die 28-jährige Nahid Najafi. Neben ihr wurden der 13-Jährige Sepehr Mapeyma, der 28-jährige Mojtaba Mir-Oliaei, die 30-jährige Sara Farami, der 35-jährige Farshad Najafi und der 51-jährige Sohrab Mahpeyma getauft. Und alle zeigten sich nach der Zeremonie, dem Entzünden ihrer Taufkerze und dem Erhalt ihrer Taufurkunde sichtlich glücklich und erleichtert. 

„Ich fühle Frieden in mir. Diese Entscheidung ist sehr gut für mich“, beschreibt Nahid Najafi. Und Farshad ergänzt: „Ich fühle mich frei!“ Doch was sagt eigentlich die Wollershäuser Gemeinde zu diesem Schritt? „Ich finde das gut, warum nicht? Unsere Religion und Kultur ist nicht so hart wie im Iran“, erklärt eine Wollershäuserin. Eine andere lobt: „Ich finde das so aufregend, sehr mutig und schön! Für die Integration in einem kleinen Dorf wie Wollershausen ist es sicher auch förderlich.“

Ein anderer, gebürtiger Wollershäuser ist extra für den Gottesdienst aus Hildesheim angereist: „Wie es der Pastor bereits sagte: Vor einigen Jahren hätte noch niemand damit gerechnet, dass in unserer Kirche einmal Iraner getauft werden. Das ist schon etwas Besonderes.“ Pastor Jens-Arne Edelmann lobte während des Gottesdienstes das tolle Miteinander im Dorf. Das wurde anschließend bei einem kleinen Fest in der Flüchtlingsunterkunft am Wollershäuser Schloss deutlich spürbar. Einrichtungsleiter Hermann Eckes von der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Südniedersachsen mbH, kurz GAB, hatte dazu eingeladen. Und ein Jeside, der Dankeschön sagen wollte für die freundliche Aufnahme in Wollershausen. „Er gibt ein Schaf aus“, hatte Pastor Edelmann zum Abschluss des Gottesdienstes verkündet. So macht man das eben in anderen Kulturen. Und die Wollershäuser und einige Gäste ließen sich gerne darauf ein und feierten gemeinsam – noch Stunden später – ein geselliges Tauffest im Freien. 

Kirche im Harzer Land

Versöhnung suchen

Der Lüneburger evangelische Regionalbischof Dieter Rathing hat Respekt vor der Entscheidung muslimischer Flüchtlinge, sich taufen zu lassen.

"An uns ist es, verantwortlich mit dem Wunsch nach einer Konversion umzugehen, schreibt der Landessuperintendent in der in Hannover erscheinenden "Evangelischen Zeitung". Auswendig lernbare christliche Formeln könnten für die Taufbewerber nicht alles sein.  

Die Menschen müssten mit viel Einsatz zur Taufe begleitet werden. Es brauche umso mehr Zeit, je unterschiedlicher die alte und die neue Glaubenswelt voneinander seien. "Es braucht noch mehr Zeit, wenn das Christwerden mit der Gefahr von Spannungen zum gewohnten Umfeld verbunden ist."

Der Weg in die Gemeinschaft der Kirche sei auch immer ein Weg in die Vielförmigkeit des Glaubens, betonte Rathing. "Wer sich taufen lassen will, sollte auch bereit sein, mit seiner Herkunft Versöhnung zu suchen. Es gibt keinen Grund, auf den verlassenen Glauben mit Verachtung zurückzusehen."

epd