Olympischer Sportsgeist in Reinform
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Rund 5.000 Athleten mit geistiger Behinderung messen bei „Special Olympics“ ihre Kräfte
Mit aller Kraft rennt der 14-jährige Julius aus Regensburg unter strahlend blauem Himmel die 100-Meter-Strecke. Er kommt bei den nationalen "Special Olympics" für Menschen mit geistiger Behinderung in Hannover als letzter ins Ziel - und strahlt über das ganze Gesicht. "Alle haben geklatscht, und ich bin gelaufen und gelaufen", sagt er. Unter den Zuschauern ist auch Julius Mutter. Ihrem Sohn falle das Training wegen seiner Muskelschwäche nicht immer leicht, sagt sie. "Aber wenn der angefeuert wird, kriegt er richtig Flügel." Für Julius zählt allein der ursprüngliche Leitgedanke der Olympischen Spiele: "Dabei sein ist alles."
"Hier, bei den Special Olympics haben wir dieses Motto in seiner Reinform", sagt Thomas Hofmann. Der gut gelaunte Hesse organisiert seit mehr als zehn Jahren die Siegerehrungen im Judo. Drei Veranstaltungen gebe es weltweit, die sich olympisch nennen und Symbole wie den feierlichen Einzug der olympischen Fackel benutzen dürfen: Die Olympischen Spiele, die Paralympics für Menschen mit körperlicher Behinderung und die Special Olympics. Sie finden alle zwei Jahre in Deutschland und alle vier Jahre weltweit statt, könnten aber noch nicht überall olympisch genannt werden, verrät Hofmann. "Der Rhythmus ist anders, und der Leistungsgedanke steht nicht immer im Vordergrund."
Eine der vielen Athletinnen ist die Judoka Caro Anzinger. Die 19-Jährige Münchnerin ist am ersten Tag der Spiele aufgeregt, denn heute entscheidet sich, in welcher Wettkampfgruppe sie kämpfen wird. Liegestützen, über den Schwebebalken balancieren, auf einem Bein hüpfen - Koordinationsübungen wie diese geben den Ausschlag, in welche der drei Gruppen mit unterschiedlichem Leistungsniveau die insgesamt 280 Judokas eingeteilt werden. Caro hat gute Chancen, immerhin hat sie vergangenes Jahr in Los Angeles bereits Gold gewonnen. "Sie weiß, was sie geleistet hat, und ist stolz darauf", sagt ihr Vater Michael. Sie möchte zwar gern die Erste sein, aber: "Sie freut sich genauso, wenn andere gewinnen."
Und Gewinner gibt es im Olympiastützpunkt bis Freitag noch viele zu sehen: Neben der Judo-Turnhalle wird auf zwölf Bahnen Boccia gespielt, eine Halle weiter stehen schwere Gewichte zum Kraftkampf bereit. Auf dem nahe gelegenen Maschsee kämpfen die Kanuten, Fußballer treten gleich auf mehreren Feldern gegeneinander an. Und überall sitzen und liegen gut gelaunte Teilnehmer beisammen und genießen die Sonne. Insgesamt etwa 15.000 Menschen werden zu den Spielen erwartet, darunter rund 5.000 Athleten, etwa 1.700 Trainer und Betreuer, 500 Schiedsrichter, 2.200 freiwillige Helfer und zahlreiche Familienangehörige.
Julius gehört zu insgesamt sieben Athleten aus Regensburg, fünf Läufer mit und zwei ohne Behinderung. Zusammen bilden sie ein sogenanntes Unified-Team, eine Neuerung bei den Wettkämpfen. In der integrativen Laufgruppe von Trainerin Heike Haas gehört das gemeinsame Training längst zum Alltag. "Wir wollen die Leistungen, das Selbstbewusstsein und die sozialen Entwicklungen der Läufer fördern", sagt Haas. Außerdem treibe der Verein die Inklusion voran.
Auch zwei junge Helferinnen aus Hannover haben Julius bei seinem Lauf angefeuert. Sie haben eine Woche Urlaub genommen und helfen täglich von morgens bis abends mit. "Wir wollten näheren Kontakt zu den Sportlern aufbauen und Vorurteile abbauen", erzählen sie. Das fällt ihnen nicht schwer. "Die Athleten sind super offen und total nett." Am meisten Spaß mache es, dabei zuzuschauen, wie sich alle in die Arme fallen.
Teamgeist steht auch bei den Siegerehrungen im Vordergrund, bei denen alle Athleten ausgezeichnet werden, erzählt Hofmann. Die ersten drei Plätze erhalten Medaillen, für die anderen gibt es Schleifchen. "Die Siegerehrung ist die Krönung vom Wettkampf, das ist sehr emotional." Ob einer erster oder vierter wird, sei nebensächlich. Wichtiger ist für Hofmann ein anderer Gedanke: "Unsere Athleten sollen den Stellenwert erhalten, den sie in der Gesellschaft verdient haben, und da ist Sport das Mittel zum Zweck."
Leonore Kratz (epd)