Europa neu denken
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Was bedeutet es, wenn eine Kirche sich in der Minderheit befindet? Was bedeutet es für eine Kirche, wenn sie „kleiner, älter und ärmer“ wird? Ist die Kirche vom Missionsbefehl her prinzipiell daraufhin angelegt zu wachsen, oder hat sie eher dem Auftrag zu entsprechen, „Salz der Erde“ und die „Stadt auf dem Berge“ zu sein?
Um diese und andere Fragen kreiste am 18. März ein von Oberlandeskirchenrat Rainer Kiefer moderierter Abend in der Evangelisch-reformierten Kirche Hannover im Rahmen des Themenjahres „Reformation und Eine Welt“. Den Hauptvortrag hielt Professor Dr. Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich und Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE).
Bünker sprach sich dafür aus, den Begriff der Diaspora neu und positiv zu fassen. Die Mehrheit der evangelischen Kirchen in Europa seien zahlenmäßig Minderheitskirchen. Lange seien Diasporakirchen jedoch als die Kirchen begriffen worden, „denen geholfen werden muss“. Bünker dagegen verwies auf ein Umdenken in neuerer Zeit und hob auf die Potentiale der Minderheitensituation ab: Es gebe für Kirchen in der Minderheit die Chance zu einer besonderen Glaubwürdigkeit, wenn man sich nicht zurückziehe, sondern sich selbstbewusst an gesellschaftlichen Prozessen und Debatten beteilige.
Es diskutierten (v. l. n. r.) OLKR Rainer Kiefer, Bischof Prof. Dr. Michael Bünker, Uwe Onnen und Paul Oppermann. Bild: Jens Schulze
Die Evangelische Kirche in Österreich sei nicht den Weg gegangen, sich selbst zu isolieren. Gerade auch an dem Phänomen migrantischer und internationaler Gemeinden sei heute zu sehen, wie religiöse und ethnische Minderheiten eigene Ressourcen zum Gewinn der gesamten Gesellschaft aktivieren können. Derzeit wachse in Europa am stärksten die Bevölkerungsgruppe der Menschen, die keiner Kirchen- oder Religionsgemeinschaft angehören. In dieser Situation könne „Diaspora“ positiv verstanden zu einem Schlüsselbegriff für die Kirchen werden.
Es gelte nun, eine „Theologie der Diaspora“ auf europäischer Ebene voran zu bringen. Auch in der Situation der Minderheit habe die Kirche den Auftrag, die christliche Botschaft öffentlich zu kommunizieren. Kirche in der Diaspora zu sein, bedeute, eine Minderheit mit einer Mission zu sein.
Paul Oppenheim, der 20 Jahre lang als theologischer Referent der Evangelischen Kirche in Deutschland im Bereich der Auslands- und Ökumenearbeit aktiv war, antwortete auf Bünkers Vortrag und betonte, dass jede Kirche auf Wachstum angelegt sei. Der Missionsbefehl gehöre zur DNA von Kirche und es sei eine Illusion, dass die Kirche sich „gesund-schrumpfen“ könne.
Bei einer schrumpfenden Kirche volkskirchlicher Prägung schrumpfe eben auch der Kern der Hochverbundenen, wie am Beispiel der evangelischen Kirche in den Niederlanden zu sehen sei. Oppenheim, zurzeit als ehrenamtlicher Vorsitzender der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Hannover aktiv, verwies auf das Missverhältnis von formaler Mitgliedschaft und realer Beteiligung am Leben der Gemeinde. Auch wenn die Zahl der Mitglieder insgesamt abnehme, gebe es ein großes Wachstumspotential. Die Herausforderung liege darin, sich nicht mit dem Schrumpfen abzufinden, sondern Salz in der Suppe zu sein.
Woldemar Flake, Ökumenereferent im Haus kirchlicher DiensteProfessor Dr. Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich und Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Bild: Jens Schulze
Pastor Uwe Onnen während der Diskussion. Bild: Jens Schulze