Startseite Archiv Tagesthema vom 14. März 2016

Diskussion um Künstler Erich Klahn

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Kritiker und Befürworter des norddeutschen Künstler Erich Klahn (1901-1978) haben sich in Hannover eine emotionsgeladene Diskussion über die NS-Vergangenheit des Künstlers geliefert. Der Historiker Thomas Vogtherr vertrat dabei die Position, Klahn habe der Ideologie der Nazis nahegestanden. „Klahn ließ sich, womöglich aus existenziell-materiellen Gründen, von der Kulturpolitik des nationalsozialistischen Deutschland willentlich und wissentlich vereinnahmen“, sagte der Professor der Uni Osnabrück bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum. Vogtherr ist Vorsitzender der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Bei der Tagung stieß er auf massiven Widerspruch von Erben und Verteidigern des Künstlers.

Klahn schuf Bilder, Illustrationen, Wandteppiche und auch zahlreiche Altäre für Kirchen unter anderem in Niedersachsen und Thüringen. Seine Erben liegen seit zwei Jahren in einem Rechtsstreit mit der Klosterkammer Hannover über den Verbleib seines Nachlasses, den sie 1998 der staatlichen Behörde vermacht hatten. Inzwischen nimmt auch die evangelisch-lutherische Landeskirche die Kunstwerke Klahns genauer unter die Lupe.

Vogtherr bezog sich vor allem auf den Emanuel-Geibel-Preis der Stadt Lübeck, den Klahn 1943 entgegennahm. Diese Auszeichnung sei „parteipolitisch aufgeladen“ und vom NS-Reichspropaganda-Ministeriums genehmigt gewesen. In der sogenannten „Niederdeutschen “ habe Klahn einem Netzwerk angehört, "das sich nicht nur offen, sondern mit Haut und Haar dem Nationalsozialismus verschrieben hatte".

Mitglied in der NSDAP sei Klahn allerdings bis auf eine sehr kurzen Episode in München 1921 nicht gewesen, räumte Vogtherr ein: „Er war kein Nationalsozialist im engeren Sinne.“ Vogtherr hatte im Auftrag der Klosterkammer eines von zwei Gutachten über Klahn angefertigt.

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Über 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten bei der Tagung in Hannover unter der Überschrift "Künstler und Kirche im 'Dritten Reich'". Bild: Johannes Neukirch

Befürworter des Künstlers übten heftige Kritik an Vogtherrs Ausführungen. Klahn habe trotz materieller Not keine Aufträge des NS-Regimes entgegengenommen, argumentierte die Tochter des Künstlers, Liese Klahn-Albrecht. Sie zitierte dabei aus Briefen ihres Vaters. Ihr Vater habe auch nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs seine Unabhängigkeit gegenüber den Nazis behalten wollen.

Aus Sicht des Kunsthistorikers Herbert Pötter spiegelt sich die völkische Einstellung von Erich Klahn auch in dessen Kunstwerken wider. „Er vermischt Kunst und Politik miteinander.“ So zeige er auf dem Passionsaltar in der Magdalenenkirche in Zella-Mehlis den römischen Statthalter Pontius Pilatus als Mussolini. Die Tagung „Künstler und Kirche im 'Dritten Reich'“ mit rund 80 Teilnehmern wurde von der Akademie gemeinsam der Hanns-Lilje-Stiftung und dem Kunstreferat der Landeskirche veranstaltet.

epd Landesdienst Niedersachsen/Bremen

Künstler Erich Klahn

Der Künstler Erich Klahn (1901-1978) wurde in Oldenburg geboren und wuchs in Lübeck auf. Bis 1921 studierte er an der Akademie der bildenden Künste in München, wo er Zeuge einer Rede Adolf Hitlers wurde und spontan der NSDAP beitrat. Nach seiner Rückkehr nach Lübeck arbeitete er mit dem völkisch-nationalistisch gesinnten Verleger Paul Brockhaus zusammen.

Zudem engagierte er sich in der „Niederdeutschen Bewegung“, die Kritikern zufolge im 20. Jahrhundert zunehmend antisemitisch und rassistisch wurde. In seinen Werken griff er Themen aus der Religion, der griechisch-römischen Mythologie und der Märchenwelt auf. Er schuf auch Illustrationen zu dem Roman „Ulenspiegel“ über den flämischen Freiheitskampf.

Von 1929 an arbeitete er mit einer Teppichwerkstatt in Celle zusammen, die mittelalterliche Teppiche aus dem Kloster Wienhausen restaurierte. Zudem entwarf Klahn eigene Kunstteppiche. Er schuf auch Altäre für Kirchen, unter anderem für die Taufkapelle der Stadtkirche in Celle, das Kloster Amelungsborn bei Holzminden und die St. Laurentiuskirche in Abbehausen bei Nordenham.

1998 gründeten seine Erben die Klahn-Stiftung, um das Werk des Künstlers zu bewahren und zu erschließen. 2001 entstand im Kloster Mariensee bei Hannover ein Klahn-Museum. Dort waren bis 2014 Aquarelle, Ölgemälde, Altarwerke und Glasmalereien zu sehen, viele davon mit Motiven aus der Bibel.

Aus Sicht von Kritikern hat Klahn im völkischen Spektrum der 1920er und 1930er Jahre eine hervorgehobene Position gehabt. Befürworter des Künstlers wenden dagegen ein, Klahn habe als junger Mann noch nicht einmal Mitgliedsbeiträge an die NSDAP gezahlt. Aus seinen Briefen sei keine einzige antisemitische Äußerung belegt. Die Tatsache, dass ein 20-Jähriger vor fast hundert Jahren völkische Gedanken geäußert habe und möglicherweise vier Jahre der NSDAP angehört habe, könne kein Grund sein, seine späteren Werke zu verbannen.

epd