"Was heißt eigentlich Volk?"
Im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" wird am 6. März 2016 der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik von Bundespräsident Joachim Gauck mit der Buber-Rosenzweig- Medallie geehrt. Seiner Meinung nach stellt die Flüchtlingskrise einen Brandbeschleuniger für antidemokartisches und völkisch-rassistisches Gedankengut dar.
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In Deutschland und vielen osteuropäischen Staaten bildet sich nach Ansicht des Publizisten Micha Brumlik zurzeit eine neue rechte Bewegung, die nicht so schnell wieder verschwinden wird. "Ich vermute, dass die sogenannte Flüchtlingskrise hier lediglich die Rolle eines Beschleunigers, eines Brandbeschleunigers spielt", sagte Brumlik in einem Interview der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Samstagsausgabe): "Menschen, die in irgendeiner Weise weit rechts, antidemokratisch, völkisch und rassistisch denken, haben hiermit einen vermeintlichen ehrenwerten Grund gefunden, sich zu organisieren."
Professor Micha Brumlik, Bild: DKR
Der emeritierte Professor für Erziehungswissenschaften aus Frankfurt/Main wird am 6. März in Hannover mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt, einem undotierten Preis vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Brumlik sagte, vor allem in der AfD gebe es ein bunt gemischtes Publikum. "Da hat man eher aufgeklärte Konservative wie Alexander Gauland, christlich wertkonservativ-intolerante Frauen wie Beatrix von Storch sowie politische Karrieristen wie Frauke Petry, die auf diesen Zug sehr erfolgreich aufgesprungen sind, und zum Schluss tatsächlich rassistisch und völkische Denker wie Björn Höcke."
Als Grund für das Entstehen der neuen Rechten nannte der Publizist eine soziale Krise. Bei bestimmten Bevölkerungsgruppen sei die Beteiligung am politischen Leben seit Jahren gleich null. Sie würden von den traditionellen politischen Parteien nicht mehr erreicht. Mit Menschen, die Schlagworte wie "Lügenpresse" in die Welt setzten, müsse es eine öffentliche Auseinandersetzung geben, forderte Brumlik. "Man muss mit ihnen hart diskutieren: Was heißt eigentlich Volk? Und ist es richtig, wenn die gewählten demokratischen Institutionen oder auch die Medien verteufelt werden?"
An der Frage, ob der Staat angesichts der Flüchtlinge tatsächlich an seine Grenzen gerate, schieden sich die Geister, betonte der Publizist. "Wenn ich sehe, wie ein wesentlich kleinerer und ärmerer Staat wie Jordanien mindestens so viele Flüchtlinge aufgenommen hat, vermag ich nicht zu erkennen, wieso das Ländern wie der Bundesrepublik nicht auch gelingen soll." Dabei sei natürlich mit sozialen Konflikten und emotionalen Widerständen zu rechnen.
Einen Vergleich mit den Zuständen in der Weimarer Republik lehnte Brumlik ab. "Trotz aller völkischen und rassistischen Unterströmungen sind diese Parteien nicht in der Lage, eine faschistische Massenmobilisierung in Gang zu setzen, mit Straßenschlachten und anderem mehr." Er rechne auf Dauer mit einem rechtsgerichteten Wähler-Bevölkerungsanteil von zwölf bis 15 Prozent. "Aber zu Zuständen wie in der Weimarer Republik werden wir nicht kommen, weil die Weimarer Republik eine Republik ohne Demokraten war."
epd Landesdienst Niedersachsen/BremenBundespräsident Joachim Gauck eröffnet am 6. März die "Woche der Brüderlichkeit 2016" in Hannover. Die Veranstaltung sei ein wichtiges Ereignis im Kalender der Landes- und Bundesregierung, sagte die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt am Donnerstag in Hannover. "Das Besinnen auf Brüderlichkeit ist ein Kernstück unserer gesellschaftlichen Werte." Besonders in Zeiten massenhafter Flucht sei eine Initiative wie die "Woche der Brüderlichkeit" wichtiger denn je. "Wir dürfen nie vergessen, wozu Hass und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft geführt haben."
Den Festvortrag zur Auftaktaktfeier hält der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, berichteten die Initiatoren. Der 67-jährige Publizist wird am 6. März mit der Buber-Rosenzweig-Medaille 2016 ausgezeichnet. Mit dem undotierten Preis vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit solle Brumlik für seinen jahrzehntelangen Einsatz für eine Verständigung zwischen Juden und Christen in Deutschland geehrt werden. Die Laudatio hält die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann.
epd Landesdienst Niedersachsen-BremenBild: DKR