Startseite Archiv Tagesthema vom 28. Februar 2016

"Was heißt eigentlich Volk?"

Professor Micha Brumlik wird mit Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt

Im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" wird am 6. März 2016 der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik von Bundespräsident Joachim Gauck mit der Buber-Rosenzweig- Medallie geehrt. Seiner Meinung nach stellt die Flüchtlingskrise einen Brandbeschleuniger für antidemokartisches und völkisch-rassistisches Gedankengut dar.

Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de

In Deutschland und vielen osteuropäischen Staaten bildet sich nach Ansicht des Publizisten Micha Brumlik zurzeit eine neue rechte Bewegung, die nicht so schnell wieder verschwinden wird. "Ich vermute, dass die sogenannte Flüchtlingskrise hier lediglich die Rolle eines Beschleunigers, eines Brandbeschleunigers spielt", sagte Brumlik in einem Interview der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Samstagsausgabe): "Menschen, die in irgendeiner Weise weit rechts, antidemokratisch, völkisch und rassistisch denken, haben hiermit einen vermeintlichen ehrenwerten Grund gefunden, sich zu organisieren."

Bild Brumlik

Professor Micha Brumlik, Bild: DKR

Der emeritierte Professor für Erziehungswissenschaften aus Frankfurt/Main wird am 6. März in Hannover mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt, einem undotierten Preis vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Brumlik sagte, vor allem in der AfD gebe es ein bunt gemischtes Publikum. "Da hat man eher aufgeklärte Konservative wie Alexander Gauland, christlich wertkonservativ-intolerante Frauen wie Beatrix von Storch sowie politische Karrieristen wie Frauke Petry, die auf diesen Zug sehr erfolgreich aufgesprungen sind, und zum Schluss tatsächlich rassistisch und völkische Denker wie Björn Höcke."

Als Grund für das Entstehen der neuen Rechten nannte der Publizist eine soziale Krise. Bei bestimmten Bevölkerungsgruppen sei die Beteiligung am politischen Leben seit Jahren gleich null. Sie würden von den traditionellen politischen Parteien nicht mehr erreicht. Mit Menschen, die Schlagworte wie "Lügenpresse" in die Welt setzten, müsse es eine öffentliche Auseinandersetzung geben, forderte Brumlik. "Man muss mit ihnen hart diskutieren: Was heißt eigentlich Volk? Und ist es richtig, wenn die gewählten demokratischen Institutionen oder auch die Medien verteufelt werden?"

An der Frage, ob der Staat angesichts der Flüchtlinge tatsächlich an seine Grenzen gerate, schieden sich die Geister, betonte der Publizist. "Wenn ich sehe, wie ein wesentlich kleinerer und ärmerer Staat wie Jordanien mindestens so viele Flüchtlinge aufgenommen hat, vermag ich nicht zu erkennen, wieso das Ländern wie der Bundesrepublik nicht auch gelingen soll." Dabei sei natürlich mit sozialen Konflikten und emotionalen Widerständen zu rechnen.

Einen Vergleich mit den Zuständen in der Weimarer Republik lehnte Brumlik ab. "Trotz aller völkischen und rassistischen Unterströmungen sind diese Parteien nicht in der Lage, eine faschistische Massenmobilisierung in Gang zu setzen, mit Straßenschlachten und anderem mehr." Er rechne auf Dauer mit einem rechtsgerichteten Wähler-Bevölkerungsanteil von zwölf bis 15 Prozent. "Aber zu Zuständen wie in der Weimarer Republik werden wir nicht kommen, weil die Weimarer Republik eine Republik ohne Demokraten war."

epd Landesdienst Niedersachsen/Bremen

Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet am 6. März die "Woche der Brüderlichkeit 2016" in Hannover. Die Veranstaltung sei ein wichtiges Ereignis im Kalender der Landes- und Bundesregierung, sagte die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt am Donnerstag in Hannover. "Das Besinnen auf Brüderlichkeit ist ein Kernstück unserer gesellschaftlichen Werte." Besonders in Zeiten massenhafter Flucht sei eine Initiative wie die "Woche der Brüderlichkeit" wichtiger denn je. "Wir dürfen nie vergessen, wozu Hass und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft geführt haben."

Den Festvortrag zur Auftaktaktfeier hält der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, berichteten die Initiatoren. Der 67-jährige Publizist wird am 6. März mit der Buber-Rosenzweig-Medaille 2016 ausgezeichnet. Mit dem undotierten Preis vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit solle Brumlik für seinen jahrzehntelangen Einsatz für eine Verständigung zwischen Juden und Christen in Deutschland geehrt werden. Die Laudatio hält die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann.

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen

Frühlingstage der jüdischen Musik

Mit Konzerten, Lesungen, Vorträgen und einer Ausstellung will die Villa Seligmann in Hannover in den kommenden Monaten wieder Einblicke in die Musik der Synagogen bieten. Bei den "Frühlingstagen der jüdischen Musik" von Montag bis zum 19. Juni steht in diesem Jahr nach Angaben der Initiatoren die Begegnung zwischen Juden und Christen im Mittelpunkt. Der Grund dafür sind die Feierlichkeiten zur bundesweiten "Woche der Brüderlichkeit" rund um den 6. März mit der zentralen Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille an Professor Micha Brumlik in Hannover. Einige Veranstaltungen der "Frühlingstage" finden in Kirchen statt.

In der Villa Seligmann ist unter anderem eine Ausstellung über den letzten jüdischen Oberkantor von Hannover, Israel Alter (1901-1979), zu sehen. Sie soll wegen der großen Nachfrage ab dem 4. März erneut gezeigt werden. Alter wirkte von 1925 bis 1935 an der Neuen Synagoge in der Calenberger Neustadt, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Von Hannover aus startete er eine Weltkarriere als Kantor und Tenor, die ihn in die großen Konzertsäle und Synagogen Europas und Amerikas führte.

Anlässlich der "Woche der Brüderlichkeit" führt der Europäische Synagogalchor bei einem Festkonzert am 5. März in der Marktkirche unter anderem Stücke des jüdischen Komponisten Louis Lewandowski (1821-1894) auf. Die "Frühlingstage der jüdischen Musik" enden am 19. Juni mit einem Sommerfest im Garten der historischen Villa Seligmann.

Die Villa am Rande des Stadtwaldes Eilenriede gehörte einst dem jüdischen Industriellen und früheren Continental-Direktor Siegmund Seligmann (1853-1925). Sie beherbergt seit 2012 das 1988 gegründete Europäische Zentrum für Jüdische Musik, ein Institut der Hochschule für Musik, Theater und Medien. Die Einrichtung verfügt über eine einzigartige Sammlung an Dokumenten, Noten, Aufnahmen und Synagogenorgeln.

epd Landesdienst Niedersachsen/Bremen

Woche der Brüderlichkeit

plakatwdb

 Bild: DKR