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Mitten in einer Pest-Epidemie schreibt Philipp Nicolai 1599 sein berühmtes Wächter-Lied. In fast unvorstellbarer Weise ist er Erfahrungen von Leid und Schmerz ausgesetzt, als er dichtet: „Wachet auf ruft uns die Stimme der Wächter sehr hoch auf der Zinne ...“
Der Dichter bringt mit seinem Lied das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen auf den Punkt, so wie Jesus es vermutlich gemeint hat: Als Ermutigung! Ziel ist das große Gloria am Schluss. In das Loblied auf Gott, den Gastgeber des großen Festes, sollen alle einstimmen können.
Zehn junge Frauen sind eingeladen zur Hochzeit ihrer Freundin. Als Höhepunkt einer orientalischen Hochzeit, die mindestens eine Woche dauert, wollen sie nun, mitten in der Nacht, mit einer Art Fackelzug den Bräutigam in das Haus der Braut begleiten, die dort schon auf ihn wartet.
Was dann kommt, kennen alle. Es passiert regelmäßig, dass der Bräutigam nicht kommt, weil er sich erholen muss von den schon zurückliegenden Festtagen. Manchmal wird er aufgehalten von den Verwandten der Braut, die ihn unterwegs abfangen, um über angemessene Brautgeschenke zu verhandeln. So weit also eine ganz normale Hochzeitsgeschichte.
Es ist typisch für Jesus, dass er ganz normale Alltagsgeschichten nimmt, und sie plötzlich zum Kippen bringt. Ein Raunen geht durch die Reihen, als Jesus von den Frauen erzählt, die nicht genug Öl für ihre Lampen eingepackt haben. So ein unmöglicher Gedanke! Er kann nur allgemeines Kopfschütteln auslösen, so etwas gibt es nicht! Man lacht.
Der spinnt ja, das kann nicht angehen! Dass es bei einer orientalischen Hochzeit von irgendetwas zu wenig gibt, das ist so unmöglich, das kann man eigentlich gar nicht denken! Deswegen war der fehlende Wein bei der Hochzeit in Kana ja auch unvorstellbar.
Jesus will provozieren, es scheint ihm bei mir zu glücken, ich ärgere mich über das Gleichnis! Mich ärgert das Verhalten der Frauen, beider Gruppen übrigens, denn die einen hätten ja gefälligst aufpassen können, warum haben sie schließlich auch nicht genug Öl mitgenommen? Und wenn es denn nun schon passiert ist, warum sind dann die anderen so knauserig und egoistisch? Wo bleibt die vielgerühmte christliche Nächstenliebe?
Hätten sie nicht wenigstens versuchen können zu teilen? Gut, dann fällt der Fackelzug diesmal eben etwas weniger leuchtend aus, wäre das so schlimm gewesen?
Meine Sympathie für den Bräutigam ist auch begrenzt. Hätte er nicht etwas großzügiger sein können an seinem Hochzeitstag? Ich merke: Es funktioniert nicht, wenn ich anfange, einzelne Züge der Geschichte zu analogisieren und zu deuten.
Es kommt auf die Spitze an: Seid wachsam! Ihr seid zu einer Hochzeit eingeladen, verpasst das nicht!
Und auf den Vergleichspunkt: „Mit dem Himmelreich ist es wie...“ Himmelserfahrungen lassen sich nicht produzieren – das lehrt uns diese Hochzeitsgeschichte. Mir gefällt der Vorschlag von Philipp Nicolai: Warten, bereit und offen sein, und ab und zu jetzt schon vorwegnehmend feiern und singen.
Pastorin Elisabeth TobabenBild: Jens Schulze
Pastorin Elisabeth Tobaben