Startseite Archiv Tagesthema vom 02. Oktober 2015

Hinter Stacheldraht

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Immer wieder läuft mir ein Schauer den Rücken herunter, wenn ich da vorbei fahre. Denn hier, in Marienborn bei Helmstedt, war einmal – und das ist noch gar nicht so lange her – die Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR. 1.400 Kilometer Stacheldraht, Minenfelder, ein Eiserner Vorhang zwischen West und Ost. Die Grenze, an der auf Menschen geschossen wurde. Von Nächstenliebe keine Spur.

Heute ist in Marienborn die Gedenkstätte „Deutsche Teilung“. Ein Wachturm, Lampen, ein Museum erinnern an den ehemaligen Grenzübergang. In diesem Museum wartet eine Kapelle auf die Besucher. Dort gibt es einen beeindruckenden Altar – darin Elemente aus dem Zaun und Stacheldraht.

Heute jährt sich zum 25. Mal der Jahrestag der Wiedervereinigung. Damit wurde die Grenze endgültig Geschichte. Begonnen hatte der Umbruch 1989 in Ungarn. Der ungarische Außenminister persönlich schnitt den Stacheldraht durch. Die Mauer fiel, die Kirchen in der DDR spielten dabei eine ganz wichtige Rolle.

Als ich die Kapelle besuche, gehen meine Gedanken zurück an die Zeit der Besuche in der DDR. Viele Gemeinden reisten regelmäßig nach drüben. Die Kontakte sollten nicht abreißen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Wochen vorher die Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Dann die Kontrollen und Schikanen an der Grenze, der Zwangsumtausch von 25 Mark pro Tag. Und die Volkspolizei, das Ausreisevisum. Trotzdem wurde vieles möglich gemacht.

Heute feiern wir 25 Jahre deutsche Einheit. Es ist wieder ein Land. Nicht alle Hoffnungen und Träume wurden wahr. Aber es ist wunderbar, ohne Grenze nach Dresden und Weimer fahren zu können, nach Wittenberg und auf die Wartburg.

In Ungarn gibt es heute wieder eine Mauer, einen Zaun. In Richtung Serbien steht er, vier Meter hoch, hunderte Kilometer lang. Ein Unterschied ist da. Damals sollten die eigenen Bürger eingesperrt werden, heute werden Menschen, die vor Hunger und Krieg auf der Flucht sind, ausgesperrt. Auch dieser Zaun jagt mir einen Schauer über den Rücken. Es bleibt viel zu tun auf dieser Welt. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ 

Peter Büttner
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Bild: Prazis /fotolia.com

„Ich blicke dankbar zurück auf 25 Jahre Wiedervereinigung. Es ist uns gelungen, dass wir ein Land geworden sind, in dem eine demokratische Kultur gepflegt, eine soziale Achtsamkeit gelebt und eine Verantwortung für die Vergangenheit unserer Nation bewahrt wird. Heute stehen wir vor einer doppelten Herausforderung: Es geht darum, Menschen bei uns dauerhaft zu integrieren, die in völlig anderen Staats- und Gesellschaftsformen aufgewachsen und geprägt worden sind. Das beispiellose Engagement so vieler macht mich zuversichtlich. Doch wir haben noch einen langen Weg vor uns.“
Landesbischof Ralf Meister

 

Der Text

Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Lukas 12,15-21
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Bild: Jens Schulze

Der Autor

Peter Büttner ist Pastor in Mohringen-Fredelsloh

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Peter Büttner Bild: err