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„So eine Undankbarkeit!“ – meine erste, vermutlich von anderen geteilte Reaktion auf diese Geschichte. „Typisch“, so könnte auch gesagt werden: „Von zehn Geheilten sagt nur einer ‚Dankeschön‘.“ In einem humoristischen Gedicht zu dieser Geschichte heißt es: „Zehn Menschen waren sehr schwer krank, / doch wurden sie geheilt. / Nur einer sagte dafür Dank. / (Das ist schlecht aufgeteilt…)“
Aber ist meine Reaktion eigentlich so naheliegend? Der – soweit es diese Geschichte erzählt – ausbleibende Dank der neun Geheilten hat doch auch etwas Logisches. Diese Menschen waren sehr krank. Warum, wird nicht gesagt. Ein solches Schicksal kann ich durchaus als Strafe erleben, wenn es mich selbst betrifft. Wieso sind andere gesund, ich aber nicht? Habe ich nicht wie andere auch so etwas wie ein Recht auf das Gesund-Sein? Muss ich mich dafür extra bedanken? Ich kann verstehen, wenn jemand das nicht als zwangsläufig ansieht. Andererseits: Wenn ich nicht bereit bin, ein Geschenk dankend anzunehmen – wie groß ist die Gefahr, dass ich bitter werde, zynisch und menschenverachtend?
Ich recherchiere zum Stichwort „Aussatz zur Zeit Jesu“ und erfahre Erschreckendes: Wer diese Krankheit hatte, wurde nahezu komplett ausgegrenzt aus der menschlichen Gemeinschaft. Er gehörte schlichtweg nicht mehr dazu, musste außerhalb der „normalen Wohnorte“ ein fast immer ärmliches Leben verbringen. „Vor den Toren der Stadt“ war ihr Ort. Wer Aussatz hatte, war gewissermaßen „ausgesetzt“. Ein schlimmes Schicksal.
Mit Menschen, die ein vergleichbares Los gezogen haben, hatte ich im Laufe der Jahre immer wieder Begegnungen: mit Obdachlosen, mit Strafgefangenen, mit ehemaligen politischen Gefangenen, mit Schwerkranken. Manche von ihnen sind mir tief im Gedächtnis geblieben. Und plötzlich fällt mir auf: Durchweg sind es diejenigen, die nicht verbittert sind, die auch im Schweren, in mancher bösen Erfahrung noch Lebensmut behielten, nicht selten mit Dankbarkeit kombiniert. Mit dem Wunsch, Zeichen der Hoffnung, eines neuen Anfangs gar, nun auch wirklich als neuen Start zu würdigen.
Ob ich das auch könnte? Ich weiß es nicht, solange ich die Erfahrung eines neuen Anfangs nicht gemacht habe.
Jesus reagiert auf den einen, der zum Dank bereit und fähig ist, auf zweierlei Weise. Er fragt wohl, was mit den anderen neun ist. Aber er bleibt dabei nicht stehen. Er stellt nicht den scheinbaren „Misserfolg“ der Nicht-Reaktion dieser größeren Zahl in den Mittelpunkt, sondern wendet sich dem einen noch einmal zu und ermutigt ihn, den Weg des Dankes weiterzugehen.
Welches Jesus-Verständnis wir auch immer haben mögen: Es lohnt sich, so erfahre ich oft, auch in dieser Hinsicht, von ihm zu lernen. Unsere Erfolge bleiben zwiespältig. Unsere Arbeit trägt manchmal erkennbare Frucht und viel häufiger nicht. Sich dann, ermutigt von den guten Erfahrungen, weiter auf den Weg zu Gott zu machen und sich von ihm begleitet zu wissen, das könnte und wird immer wieder ein Ziel sein. In der Begegnung mit den Ausgestoßenen, den Gescheiterten, all denen, die froh sind über liebevollen und respektvollen Umgang mit ihnen.
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