Mehr Barmherzigkeit
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Die einen sagen, die Geschichte vom barmherzigen Samariter zähle zu den bekanntesten im Neuen Testament. Die anderen meinen, die Geschichte müsse noch zeitversetzt aktualisiert werden. Für mich kommt Hilfe aus den Liedern und Gebeten für diesen Sonntag: „Mir ist Erbarmung widerfahren, / Erbarmung, deren ich nicht wert; / das zähl ich zu dem Wunderbaren, / mein stolzes Herz hats nie begehrt. / Nun weiß ich das und bin erfreut / und rühme die Barmherzigkeit.“ (EG 355,1)
Haben wir von der besseren Barmherzigkeit schon gehört oder gelesen? Die Barmherzigen seien selig, denn sie werden sie empfangen. Und diese Barmherzigkeit ist wohl recht eindrücklich und groß. Gott möge mich mit ihr erquicken. Für Lothar Zenetti verströmt die Barmherzigkeit Zärtlichkeit, Mitleid und Mitgefühl.
Ist Barmherzigkeit letzten Endes eine Lebensweise? Für Kardinal Walter Kasper, bis 2010 Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, gibt es Barmherzigkeit nicht ohne Gerechtigkeit. Aber Barmherzigkeit geht über Gerechtigkeit hinaus. „Sie schaut auf die Person und gibt ihr immer wieder eine neue Chance. Gott verdammt den umkehrwilligen Menschen nicht, auch nicht, wenn er große Fehler begeht.“
Welche Sorge treibt Lothar Zenetti um? Es sei sicher, dass wir schneller fahren, höher fliegen und weiter sehen können als Menschen früherer Zeit. „Es ist sicher, dass wir mehr abrufbares Wissen zur Verfügung haben als jemals Menschen vor uns. Es ist sicher, dass Gott sein Wort niemals zu einer besser genährten, gekleideten und bessergestellten Gemeinde sprach. Vielleicht haben wir mehr Barmherzigkeit nötig als alle, die vor uns waren.“
Barmherziger Gott, du siehst das Elend der Menschen. Halte deine schützende Hand über die Kinder, Eltern und Jugendliche in den Familien der Flüchtlinge und Asylsuchenden. Die Medien schildern, was geschieht; die Kommentare schweigen sich aus, warum es geschieht. Hilf uns, Vater im Himmel, zu tun, was du uns geboten hast. Ach, überwinde alles, was uns daran hindert. Lass uns nach dem Vorbild seines Sohnes barmherzig werden.
Es sind so viele, die uns brauchen; dass wir nicht vorübergehen an ihnen. An ihnen vorbei sollen wir nicht starren. Walter Kasper wird in seinem großen „Zeit“-Interview gefragt, ob Barmherzigkeit letzten Endes eine Lebensweise ist, „keine Beschäftigung für den Feierabend“. Kaspers Antwort: Barmherzigkeit möge eine menschliche Grundhaltung werden. „Dass wir Augen haben füreinander und nicht egozentrisch sind. Unsere individualistische Gesellschaft glaubt, es ginge darum, diejenigen wahrzunehmen, die sich eben nicht durchsetzen können. Wer je bei den ganz Armen war, kehrt als anderer nach Hause zurück.“
Im Gottesdienst dieses Sonntags bitten wir Gott um Menschen, die Spuren in unserem Leben hinterlassen, die uns begleiten. In diesem Gottesdienst bitten wir, dass wir Spuren legen der Geborgenheit und des Vertrauens. Und wir bitten Gott, dass es uns gelingt, Spuren in unserem Alltag zu legen und zu behalten. In der Arbeitshilfe zum Evangelischen Gottesdienstbuch werden wir auf den Schluss der Geschichte vom barmherzigen Samariter hingewiesen. Denn dort wird „aufgezeigt, dass Hilfe und sich in den Dienst eines anderen zu stellen auch bedeuten kann, abzugeben und zu delegieren“.
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