Kultur aus dem Koffer
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Es war ein kleiner Vorgeschmack auf das Museum der Sinne, eine inklusive Dauerausstellung im Roemer- und Pelizaeus-Museum, die Mitarbeitende und Beschäftigte der Tagesförderung der Diakonie Himmelsthür an diesem Vormittag besuchen. Dass Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf einen Museumsraum auf eigene Faust erkunden können, ist keine Selbstverständlichkeit. „Es ist schon außergewöhnlich, was das Roemer- und Pelizaeus-Museum mit seinem Museum der Sinne für die Inklusion in Hildesheim leistet“, betont Judith Hoffmann, Regionalgeschäftsführerin der Diakonie Himmelsthür. „Hier können Menschen mit Behinderung kulturelle Bildung erfahren und genießen wie alle anderen auch.“ Texte werden für seh- und hörbehinderte Menschen aufbereitet, Gebärdensprache, Blindenschrift und Leichte Sprache genutzt. Darüber hinaus lassen sich viele Ausstellungsobjekte berühren und hautnah erleben. Wer das Museum der Sinne besucht, der kann Erd- und Menschheitsgeschichte konkret erfahren.
„Das ist aber spitz!“, ruft Monika Meyer, als sie mit der Fingerspitze über die Nachbildung eines Faustkeils streicht. Für die Museumsangestellte Jelena Gayk eine Gelegenheit zu erklären, dass ein Faustkeil in der Steinzeit zum Schneiden benutzt wurde. „So ähnlich wie heute ein Küchenmesser.“ Und warum der Schädel daneben so riesige Zähne habe? Das liege daran, erklärt Julia Kruse, die Museumspädagogin, dass Urmenschen wie der Australopithecus noch kein Essen gekocht sondern rohes Gemüse und Wurzeln gegessen hätten. „Und da braucht man ein starkes Gebiss und große Zähne.“ Derweil hat sich Gabriele Humpert nebenan Kopfhörer übergestreift. Sie lauscht Trommeln und wilden Tieren aus Peru. Fremde Welten, vergangene Zeiten. Im Museum der Sinne werden sie allen Menschen nahe gebracht.
Natürlich, damit entspricht man dem Grundrecht auf kulturelle Teilhabe, wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten ist. Und doch: „Um Inklusion möglich zu machen, müssen alle dazulernen“, sagt Prof. Dr. Regine Schulz, Geschäftsführerin des Roemer- und Pelizaeus-Museum. „Deshalb ist der Kooperationsvertrag, den wir über das Kulturkoffer-Projekt mit der Diakonie Himmelsthür abgeschlossen haben, eine Bereicherung – auch für unser Museum.“ Wer Barrieren abbauen wolle, der müsse sich für andere Sichtweisen und Bedürfnisse öffnen. Deshalb sei man auch der Johannishofstiftung sehr dankbar, die das Projekt mit 2.800 Euro unterstütze.
Dass sich dieses Engagement lohnt, erfährt man, wenn man mit den BewohnerInnen der Diakonie Himmelsthür durchs Museum der Sinne geht. An einem Tisch – es werden Werkzeuge des Alten China gezeigt – stanzt Gabriele Humpert mit einem einfachen Metallstab kleine Kreuze in eine Goldfolie. Was das Alte China ist? Gabriele Humpert zuckt die Schultern. Aber dann streicht sie mit dem Finger über die Goldfolie und fasst sich an ihre Halskette. „Wie hier“, sagt sie und zeigt ein kleines Goldkreuz vor. So fühlt sich kulturelle Bildung ohne Barrieren an.
Maximilian BalzerV.l.n.r.: Judith Hoffmann, Thomas Brunken, Renate Ehnert, Monika Meyer. Bild: Balzer