Startseite Archiv Tagesthema vom 27. Juli 2015

Lieder, die alle kennen

Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de

Seine Songs haben eine ganze Generation von Kirchentagsbesuchern geprägt. Die Melodien von Fritz Baltruweit sind in Gottesdiensten und Messen inzwischen moderne Klassiker, geadelt durch die Aufnahme ins offizielle Gesangbuch.

„Das ist schon ein tolles Gefühl, wenn ich ein Lied anstimme, und alle kennen das“, sagt der evangelische Pastor aus Hannover. Heute feiert er seinen 60. Geburtstag.

Rund 1.000 Lieder hat er bisher geschrieben und etwa die Hälfte davon auch selbst getextet. Längst haben sie die Konfessionsgrenzen überschritten. Sein bekanntestes Lied „Gott gab uns Atem, damit wir leben“ wurde sogar ins katholische „Gotteslob“ aufgenommen.

Für einen anderen seiner Hits griff er auf einen Text des jüdischen Religionsphilosophen Shalom Ben-Chorin (1913-1999) zurück: „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt“. Ben-Chorin staunte einst darüber, dass ihm bei Vorträgen und Kirchentagen in Deutschland aus tausend Kehlen sein eigenes Gedicht entgegenschallte, das zum „Volkslied“ geworden sei. Das Lied erklang auch bei der Trauerfeier für den Schriftsteller in Jerusalem.

DDR-Kirchentag1983

DDR-Kirchentag 1983. Bild: Studiogruppe Baltruweit

Baltruweit sieht sich als Liedermacher in der Tradition von Hannes Wader oder Reinhard Mey. Das Singen lernte der Sohn eines Diakons und frühere Pfadfinder im Knabenchor Hannover. Schon als Jugendlicher schrieb er in den 1970er Jahren die ersten Songs zur Gitarre, die damals noch gar nicht kirchlich waren. Irgendwann lud ihn eine Musikgruppe namens „Kirchenwecker“ zum Mitmachen ein. Dass Pastoren sich im Talar eine Gitarre um den Hals hängten, war damals revolutionär.

Klassisch ausgebildete Kirchenmusiker blickten anfangs etwas abschätzig auf den komponierenden Pastor aus Hannover. Doch das hat sich gelegt. „Dadurch, dass ich im Gesangbuch vertreten bin, gibt es eine gewisse Ehrfurcht.“ Inzwischen spielen die Kirchenmusiker Baltruweits eingängige Songs auf der Orgel nach.

Abendsegen_Dresden

Abendsegen beim Kirchentag in Dresden. Bild: Fritz Baltruweit

Mit einem Gefühl von Gänsehaut denkt Baltruweit noch immer an den Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin zurück, als 200.000 Menschen seine Lieder mitsummten: „Beim Kirchentag kann man Klangerfahrungen machen, die man sonst nicht hat.“ Genauso bewegend findet er es, unerkannt im Gottesdienst in einer Kirchenbank zu sitzen, während die Menschen um ihn herum ein Lied aus seiner Feder anstimmen.

Mehr als 50 Platten und CDs sowie vier Liederbücher sind das Ergebnis seines musikalischen Schaffens. Kommerziellen Erfolg hat Baltruweit damit nie gehabt und auch nie angestrebt. Als Pastor wirtschaftlich abgesichert verzichtet er bei seinen Konzerten auf Gagen. „Ich mache das, damit die Leute mitsingen.“

Nur die drei Begleitmusiker seiner „Studiogruppe Baltruweit“, allesamt Profis, erhalten ein Honorar. „Ich möchte durch das, was ich mache, die Menschen zu den wesentlichen Wurzeln ihres Lebens bringen“, betont er. „Auf ganz andere Weise, als eine Wortpredigt es kann.“

Michael Grau (epd)
Foto_ganz_früh_mH

Fritz Baltruweit. Bild: privat

pageflow_2

Bild: Screenshot Pageflow gep

„Das, was ich zu sagen habe“

Ein Porträt von Fritz Baltruweit

Auf der Bühne zu stehen ist für mich…
…jedes Mal wieder etwas ganz Besonderes, etwas, was ich genieße! …wo es wirklich „kribbelt“.
Erst die Frage: „Kriege ich die Leute soweit, dass sie mitgehen?“ – …und am Ende gehen sie glücklich nach Hause. Etwas Wunderbares!

Mein größtes Liebeslied an Gott heißt…
Es ist gar nicht von mir: „Ich steh an deiner Krippen hier“ mit der tollen Melodie von Johann Sebastian Bach.
Bei „meinen Liedern“ denke ich als erstes an „Ich sing dir mein Lied“. Die Melodie ist aus Brasilien, aber am Text bin ich ja nicht ganz „unschuldig“.

Mein bewegendstes Erlebnis als Pastor war…

Oh, da gibt es ganz viel Bewegendes, was mit mir geht.
Immer wieder bewegt mich, wenn Menschen sich im Gottesdienst wirklich zu Hause fühlen,
etwas Neues entdecken und eine neue Perspektive bekommen. Oft spielt dabei Gottes Geist die Hauptrolle.

Wenn ich eine Schreibblockade habe...

…muss ich an die Nordsee fahren, Da legt sie sich wie von selbst.

Nordseeluft macht Hunger auf…
…mehr. Die Weite einatmen, den Kopf freipusten lassen, das Leben genießen. (lacht)

Wenn ich auf Reisen gehe…
…freue ich mich auf das Neue, was ich erleben werde. Das, was ich zu Hause nicht „habe“.

„Jeder Mensch braucht einen Engel“, weil…

… sie uns Gott nahebringen und zeigen, wie Gott für uns, für mich da ist.

Als Kind wollte ich werden wie…
…der Oboist, der vor mir so schöne Musik machte. Ich stand im Chor in der ersten Reihe direkt hinter ihm und war fasziniert.

…mit 60 möchte ich sein wie...
…bin ich ganz zufrieden mit mir.

Ohne meine Gitarre…
…bin ich kein ganzer Mensch.