Startseite Archiv Tagesthema vom 22. Juli 2015

„Jedes Leben ist lebenswert.“

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Der Bundesverband der evangelischen Behindertenhilfe warnt vor einer Abwertung des Lebens von Menschen mit Behinderung. Dass die langjährige „Sportschau“-Moderatorin Monika Lierhaus den Nutzen ihrer lebensrettenden Hirnoperation infrage stelle, dürfe nicht verallgemeinert werden, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands, Uwe Mletzko, dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Gefahr einer Pauschalierung ist sehr groß, aber jedes Leben ist lebenswert.“

Die 45-jährige Fernsehmoderatorin hatte die Operation eines Aneurysmas im Jahr 2009, bei der sie neurologische Schäden erlitt, in einem Interview der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung rückblickend kritisch betrachtet: „Ich glaube, ich würde es nicht mehr machen.“ Ihr sei bewusst, dass sie ohne Operation inzwischen vermutlich nicht mehr leben würde, betonte sie, doch das sei ihr egal: „Dann wäre mir vieles erspart geblieben.“

Neben anderen hatte ihr die gehörlose Bloggerin Julia Probst im Kurznachrichtendienst Twitter vorgeworfen, das Leben von Menschen mit Behinderung durch ihre Äußerung abzuwerten.

Der Ethiker Mletzko gab zu bedenken, Lierhaus habe hier eine persönliche Aussage getroffen, die nicht auf andere Menschen übertragbar sei. Personen des öffentlichen Lebens hätten immer auch eine Vorbildfunktion und müssten bei ethischen Fragen genau abwägen, was sie sagten.

Allen Stimmen, die diese Äußerung benutzten, um das Leben von Menschen mit Behinderungen als nicht lebenswert oder als Last für die Gesellschaft darzustellen, müsse widersprochen werden. So dürften Eltern beispielsweise nicht unter Druck gesetzt werden, behinderte Kinder nicht zu bekommen. „Ich finde, wir tun uns damit viel Gutes an, weil sie immer eine Bereicherung des Lebens sind“, sagte Mletzko. Trotzdem müsse es einzelnen Personen möglich sein, Unzufriedenheit mit ihren eigenen Einschränkungen zu äußern.

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. Bild: epd-Bild/ Kerstin Rolfes

„Es wäre falsch, immer wieder zu sagen, dass alles eitel Sonnenschein und das Leben an sich automatisch immer gut ist. Jeder Mensch hat das gute Recht, in eigener Weise auf sein Leben zu schauen und es zu bewerten.“
Vorsitzender der evangelischen Behindertenhilfe, Uwe Mletzko

Der weit überwiegende Teil der Arbeit mit und für Menschen mit Behinderungen im Bereich der hannoverschen Landeskirche wird von freien Trägern der Diakonie verantwortet. Die Diakonie ist unter den Wohlfahrtsverbänden traditionell der größte Anbieter in der Behindertenhilfe. Die diesbezüglichen umfänglichen Informationen sind über das Diakonische Werk und den Fachverband der Behindertenhilfe einzuholen

Anstoß für kritisches Nachdenken über Teilhabe

Nach kontroversen Reaktionen auf die kritische Rückschau von Monica Lierhaus auf ihre schwere Hirnoperation verteidigt die Moderatorin ihre Äußerungen. Die 45-Jährige wies in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland in Hannover Vorwürfe zurück, ein Leben mit Behinderung abzuwerten. „Ich kann die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen“, sagte sie. Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe begrüßte die Diskussion nach den Äußerungen von Lierhaus als Chance für eine verbesserte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

In der Öffentlichkeit müsse immer wieder eine Debatte über Behinderungen stattfinden. „Wir müssen diese Dinge diskutieren und kritisch als Gesellschaft darüber nachdenken, wie wir eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen erreichen können“, sagte Mletzko. Dafür bleibe gesetzlich wie auch gesellschaftlich noch viel zu tun. Lierhaus' Aussage „sollte ein Anstoß“ dafür sein.

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Monica Lierhaus und Rolf Hellgardt beim Deutschen Fernsehpreis 2012. Bild: wikimedia commons/ JCS