Partnerschaft auf brasilianisch
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„Alles was man in der Welt tut, wird auf Grund einer Hoffnung getan.“ Es kommt wohl nicht von ungefähr, das dieses Lutherzitat auf den deutschen Internetseiten von Dr. Claudete Beise Ulrich und Carlos Ulrich zu finden ist. Denn Hoffnung durchzieht ihr Leben als lutherische Christen und Pastoren wo immer sie bisher gearbeitet haben – so wie das Leben der deutschen Einwanderer, die es im 19. Jahrhundert in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Brasilien zog.
Und auch die Vorfahren des brasilianischen Theologenehepaares verließen in dieser Hoffnung Deutschland. Und so nimmt es nicht Wunder, dass die beiden dort zu finden sind, wo Menschen mit eben dieser Hoffnung leben – in einem Stadtteil mit hohem Migrantenanteil in der niedersächsischen Kleinstadt Wunstorf unweit von Hannover. Hier haben sie sechs Jahre lang in einem vielsprachigen Mietshaus Tür an Tür mit Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen und oft am Rande der deutschen Gesellschaft gewohnt.
Mittendrin bei den Menschen, mit ihnen leben, ihre Sorgen teilen und solidarisch sein – für die beiden lutherischen Christen aus Brasilien ist das der richtige Ort, um sich Gottes Auftrag und Mission zu stellen. Und das haben die beiden Pastoren der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB) im Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf getan, wo sie ihre Erfahrungen in die deutsche Kirchen- und Gemeinderealität einbringen konnten.
Das Pastorenehepaar Ulrich im Gottesdienst. Bild: ELM
Als ökumenische Mitarbeitende in der Wunstorfer Kirchengemeinde St. Johannes und des Kirchenkreises Neustadt-Wunstorf hat sie auch manch eine Haltung gegenüber dem Thema Partnerschaft erstaunt. „Viele Deutsche sind satt von Partnerschaft“, glaubt Carlos Ulrich. „Auch viele Kollegen machen einen Bogen um das Thema“, schildert er seine Beobachtungen und spricht darum lieber von Convivência, Mitleben.
Hier zeigt sich, wie stark sie durch die Befreiungstheologie und den großen brasilianischen Pädagogen Paolo Freire in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, noch zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur, geprägt worden sind. Sie beeinflusst ihr theologisches Denken und Handeln bis heute. Themen wie Gerechtigkeit treiben sie und ihre Kirche um und wie man den eigenen Glauben mit dem Leben und damit auch mit politischen Fragen in Verbindung bringen kann.
Damals geriet das Schicksal der Unterdrückten der brasilianischen Gesellschaft immer stärker in den Blick, die Situation der Landlosen etwa oder die der indigenen Bevölkerung, die um ihr Überleben kämpften, weil sie immer rasanter ihrer Lebensräume beraubt wurden. Auch ihre eigene lutherische Kirche habe begonnen über den eigenen Tellerrand zu schauen, sich auf den Weg der Gerechtigkeit zu machen und bewusst die Landlosen zu unterstützen.
Glaube, Solidarität und soziale Verantwortung lassen sich in Ulrichs Augen nicht trennen, und im Mittelpunkt stehe dabei immer der Mensch. Darum ist es ihnen so wichtig, das echte Leben in der Gemeinde wahrzunehmen. „Für uns ist der Glaube kollektiv“, sagen sie, während er hier in Deutschland eher privat sei. Und so nehmen sie einen sehr stark ausgeprägten Individualismus und große Anonymität in vielen deutschen Gemeinden wahr. Er habe sehr oft allgemein formulierte Fürbittengebete gehört, schreibt Ulrich. „In der EKLBB haben wir gelernt zu fragen: Für wen können wir heute beten? Die Menschen haben Namen, Familie, Geschichten. Ich finde, dass das Leben manchmal weit von den Gottesdiensten entfernt ist“, schreibt Carlos Ulrich in einem seiner Beiträge, die er im Rahmen seines Dienstes hier verfasst.
Dirk FreudenthalPastor Carlos Ulrich bei einem Waldgottesdienst an Pfingsten. Bild: ELM
Dr. Claudete Beise Ulrich und Carlos Ulrich. Bild: ELM