Bilder als „Waffen“
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Redaktion: Wie haben Sie sich selbst dem Thema Abbildung von Krieg und Konflikten genähert?
Felix Koltermann: Ich habe Fotografie und Dokumentarfotografie studiert und habe mich sowohl im Diplom als auch in meiner Masterarbeit mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich habe mich dabei dem Friedensjournalismus hinsichtlich der Berichterstattung über Palästina und Israel genähert und meine Masterarbeit über die Bildberichterstattung des Gaza-Konflikts in der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben. Jetzt arbeite ich gerade noch an meiner Promotion und da sind mein Thema die Bild-Produzenten, also die Fotografen.
Redaktion: Was wollen Sie in Ihrer Promotion und auch in Ihrem Vortrag „Bilder vom Krieg – zwischen Berichterstattung und Propaganda“ zum Ausdruck bringen?
Koltermann: Es geht mir nicht darum, ein weiteres Urteil über die Bilder in den Medien zu fällen, sondern ich möchte, dass die Nutzer von Print- und Onlinemedien ein besseres Verstehen darüber bekommen, wie Konstruktionsprozesse von Bildern ablaufen und damit einhergehend auch ein anderes Verständnis für die Fotografen bekommen. Denn meine Wahrnehmung von Bildethischen Diskussionen ist, dass Schuldzuweisung dabei schnell an die Fotografen geht, ohne zu bedenken, welche redaktionellen Abläufe da noch beteiligt sind.
Redaktion: Was ist dran an der Aussage, dass Fotografen durch die Linse eine Distanz zum Geschehen bekommen?
Koltermann: Die Kamera ist definitiv eine Barriere zu all dem, was man vor Ort gerade sieht und wahrnimmt. Sie ist ein Filter der Realität. Wenn Fotografen in einem Einsatz vor Ort sind, inmitten von Krieg, Gewalt und Leid, dann sind sie beim Fotografieren oftmals in einer Art Wahn. Sie suchen durch die Kameralinse nach guten Bildern und erst, wenn der Moment des „Herunterkommens“ eintritt, realisieren sie, was dort wirklich passiert ist. Um all das zu verarbeiten nutzen Fotografen sehr unterschiedliche Coping-Mechanismen – von denen sicher nicht alle positiv sind.
Redaktion: Welche Auswirkungen haben Social Media Plattformen für Bilder der Kriegsberichterstattung?
Koltermann: Grundsätzlich bin ich ein großer Anhänger von Bildern in Medien und zwar weil ich große Stücke auf die erzählerischen Vorzüge der Fotografie lege. Dabei ist es mir wichtig die klassischen Medien zu stärken, denn auf Social Media Kanälen wird häufig geteilt und gezeigt, was für das Auge des Betrachters zu viel ist. Im klassischen Journalismus, bei der Zusammenarbeit zwischen Fotografen und Redakteuren, gibt es die Kompetenz Botschaften zu kontextualisieren und Agenturnachrichten verantwortlich einzuordnen.
Redaktion: Welche Richtlinien entscheiden denn, welche Bilder ethisch vertretbar sind und welche nicht?
Koltermann: Das kommt ganz drauf an. Bei Kriegsfotografien die schon im Umlauf sind richtet sich das in erster Linie nach dem Schutz des Betrachters. Also nach der Frage: „Was kann ich ihm zumuten?“ Es geht dabei zunächst nicht um den Schutz der abgebildeten Person. Aber natürlich gibt es auch ethische Debatten darüber, wie es der gezeigten Person auf einem Bild ergeht. Und da herrscht eine große Diskrepanz zwischen Nord und Süd: In Deutschland würde man in den klassischen Medien niemals das tote oder schwerverletzte Gesicht eines Unfallopfers zeigen. Aber Nahaufnahmen von Toten in Kriegsgebieten gibt es durchaus.
Felix Koltermann. Bild: S. Werner
Die Abbildung von Krieg und Konflikten ist Bestandteil unseres Alltags geworden. Seit es die Massenmedien gibt, werden sie benutzt, um Unfassbares darzustellen. Doch auch die Kriegsfotografie unterliegt dem Zeitgeschehen.
(...)Die fotografische Dokumentation von Kriegen und Konflikten war schon immer mit großen Gefahren verbunden. Die Veränderung des Krieges und zeitgenössischer Konflikte, die oft mit dem Stichwort der Asymmetrie beschrieben wird, hat diese Gefahren jedoch erhöht. Viele zeitgenössische Konflikte sind Bürgerkriege, in denen lokale Gewaltherrscher in begrenzten Räumen Macht ausüben und sich meist nicht an das Völkerrecht gebunden sehen. Fotografen und Journalisten sind von deren Gnaden abhängig. (...)
(...) Einer dieser Konflikte dreht sich um die Frage, wo die Grenzen der Darstellbarkeit liegen. Allzu direkte Bilder von Opfern und Toten aus Krisenregionen werden von den Redaktionen in Europa und den USA in der Regel vermieden. Meist steht dahinter der Gedanke, man könne dies seinem Publikum nicht zumuten. Nicht nur bei Fotografen stößt dies auf Kritik. (...)
Cover: Koltermann
Bild: Privat