Startseite Archiv Tagesthema vom 10. Juni 2015

Zukunft kann gemeinsam sein

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Diana Schild: Frau Dr. Klostermeier, im Festgottesdienst zu Ihrer Einführung im Februar sagte Landesbischof Ralf Meister: „Sie kommen von einer großen in eine schöne Stadt.“ Wie sehen Sie das nach 100 Tagen im Amt ?

Birgit Klostermeier: Das stimmt auf jeden Fall, Osnabrück ist schön. Die Natur ist näher, und es ist ganz klar ein anderer Lebenstakt, das genieße ich.

Schild: Welche Kernthemen haben Sie aus den ersten Gesprächen mit den Pastoren, Diakonen und Funktionären mitgenommen?

Klostermeier: Ein Kernthema ist: „Wie geht es mit uns weiter?“ Also die Zukunft der Kirche konkret vor Ort. Dann die Frage: „Wann werden wir wieder dazu kommen, die inhaltlichen Dinge mehr in den Mittelpunkt zu rücken?“ Zum Beispiel: „Was ist das Evangelium heute? Wie bringen wir es zu den Menschen? Wie kommen wir in Kontakt?“ Und dies in einer Zeit, in der zwar das Interesse an Religion da ist, aber weniger Interesse an der Kirche. Es bedarf besonders einer Klärung von Glaubensinhalten. Da möchte ich gern mehrere Vernetzungen herstellen und gerade jüngere Theologinnen und Theologen miteinander ins Gespräch bringen. Vor allem möchte ich von ihnen wissen, was sie beschäftigt, weil sie die Zukunft der Kirche sind.

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Birgit Klostermeier. Bild: EMSZ/ Diana Schild

Schild: Sie haben kürzlich in Basel einen Vortrag gehalten über „Kirche in einer konfessionslosen Welt.“ Inwiefern trifft das auf Ihren Sprengel zu?

Klostermeier: In Osnabrück gibt es sehr viel traditionelle Kirchlichkeit. Zweidrittel der Menschen gehören der evangelischen oder katholischen Konfession an. Aber es zeichnen sich auch kritische Stimmen ab, und man muss sich darauf einstellen, dass es in der nächsten oder übernächsten Generation Veränderungen geben wird. In den anderen Kirchenkreisen des Sprengels südlich von Bremen stellt sich dies schon anders da.

Schild: Aktuell steht ein Besuch einer jüdischen Gemeinde an. Was erhoffen Sie sich von diesem Treffen?

Klostermeier: Mich interessiert bei diesem ersten Besuch, wie es der jüdischen Gemeinde hier geht, was sie beschäftigt, mit welchen Perspektiven sie in Osnabrück lebt. Der interreligiöse Dialog wird in der Stadt sehr stark geführt, auch über den Runden Tisch der Religionen. Dahin habe ich Kontakt aufgenommen und möchte diese Verbindung weiter ausbauen.

Schild: Sie haben in ihrer Antrittspredigt gesagt, es sei wichtig, mit Religionen wie dem Judentum oder Islam, über den Glauben an den „einen Gott“ zu sprechen...

Klostermeier: Genauer gesagt, über unsere Vorstellungen vom Glauben an den „einen Gott“. Denn es sind ja die Vorstellungen, die sich unterscheiden. Diese Unterschiede sind für jeden von großer Bedeutung und genau über diese Bedeutung müssen wir miteinander sprechen. Nicht, um sie zu verschieben oder einzudämmen, sondern um die Verschiedenheit anzuerkennen, zu achten und zu wahren.

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Birgit Klostermeier. Bild: EMSZ/ Diana Schild

Schild: Welche Herausforderungen sehen Sie in Richtung Gesellschaft und Bürgerinitiativen?

Klostermeier: Ein Schwerpunkt liegt bei den Jüngeren. Was beschäftigt sie? Wenn sie sich für das Gemeinwohl interessieren, so habe ich festgestellt, liegt ihnen sehr viel an Umweltpolitik und Nachhaltigkeit. Hier erlebe ich bei den jungen Menschen einen großen Wunsch und Willen etwas zu gestalten. Das würde ich gern unterstützen.

Schild: In der Evangelischen Zeitung in der Rubrik „Meine Meinung“ haben Sie geschrieben, dass es Demut und keine Rechthaberei braucht, wenn man seine Haltung äußert. Und, dass Sie in der Hinsicht noch dazulernen müssten...

Klostermeier: Ich glaube, ich gehöre auch erstmal gerne zu den Rechthaberinnen (lacht). Und dann ist es so, dass man als Pastorin lernt, Deutungshoheit für sich in Anspruch zu nehmen. Bei der Predigt zum Beispiel. Aber es ist wichtig, dies an bestimmten Stellen zu relativieren. Nicht um die eigene Position einzuebnen, aber schon, um deutlich zu machen: es gibt auch andere Sichtweisen, und ich bin bereit, mich für unterschiedliche Perspektiven zu öffnen.

Schild: Ihr Fazit des Kommentares war: „Die Kirche braucht mehr Small Talk.“ Zu welchen Themen passt diese Art des miteinander Redens?

Klostermeier: Gerade Themen, die ernst sind, würde ich gern unkonventioneller denken. Denn vielleicht kann man wichtige Themen auf spielerische Art noch ernster nehmen. „Was bedeutet die Abstimmung der Iren für Positionen in unserer Gesellschaft?“ würde sich für Small Talk gut anbieten. Auch das Thema Flüchtlinge, weil es Viele beschäftigt und weil es hoch aufgeladen ist. Allerdings, auch Small Talk muss man lernen...

Schild: Einer Ihrer Studienschwerpunkte war auch der Bereich Soziologie. Gibt es von Ihrer Seite den Wunsch, dahin Brücken zu schlagen?

Klostermeier: Ich versuche gerade, konkret Verbindungen herzustellen. Mich interessieren vor allem die Bereiche, in denen Kirche mit anderen Akteuren im gesellschaftlichen Feld zusammenarbeitet. Bürgerinitiativen, Vereine, Einzelpersonen, über all dort, wo es um etwas Gemeinsames geht. Vor allem in den Bereichen Umwelt und Diakonie. Aktuell interessant sind natürlich die Vorbereitungen zum Reformationsjubiläum 2017, das ja von Vielen getragen und gestaltet wird. Es ist hier in Osnabrück eine Veranstaltung von Kirche und Stadt.

Schild: Was macht Osnabrück zu einem besonderen Ort der Reformation und zu einem Ort der Ökumene?

Klostermeier: Osnabrück ist durch den Westfälischen Frieden ein historisches Beispiel für die gelebte Gleichheit der Konfessionen. Das ist bis heute spürbar. Im öffentlichen Bereich wird darauf geachtet, die evangelische und katholische Konfession gleichermaßen zu berücksichtigen. Was mir besonders auffällt: es gibt ein sehr offenes, freundliches Entgegenkommen zwischen beiden Kirchen. Wobei ich mit „evangelisch“ auch die reformierte Kirche meine. Und es scheint mir, dass die Zukunft eine gemeinsame sein kann. Es geht schon jetzt um eine große Perspektive des Gemeinsamen.

Schild: Was meinen Sie konkret mit „gemeinsam“? Eine „ökumenische Kirche“?

Klostermeier: Vielleicht ist es visionär, aber es gibt tatsächlich eine Grundhaltung, die nicht davon ausgeht: „Ihr müsst so werden wie wir“, sondern die sich auf das bezieht, was die Kirchen eint. Eine „ökumenische Kirche“ irgendwann, warum nicht?

Schild: Moderne Kommunikationsformen, Internet, Social Media. Wie wichtig ist das für Ihre zukünftige Arbeit im Sprengel Osnabrück?

Klostermeier: Ich hatte in Berlin eine junge Öffentlichkeitsbeauftragte, die sofort Facebook eingerichtet hat und mich davon überzeugt hat, wie wichtig das ist. Ich habe gesehen, wieviel darüber an Kommunikation entsteht. Aber diese Medium braucht Aufmerksamkeit und Pflege und die muss auch sichergestellt werden.

Redakteurin Diana Schild (EMSZ) traf Dr. Birgit Klostermeier zum Gespräch in den neu rennovierten Räumen der Landessuperintendentur in Osnabrück
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Birgit Klostermeier. Bild: EMSZ/ Diana Schild

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Birgit Klostermeier. Bild: EMSZ/ Diana Schild

Feierliche Amtseinführung von Birgit Klostermeier

Mit einem Festgottesdienst wurde die neue Landesuperintendentin Birgit Klostermeier am Samstag in der St. Marienkirche in ihr Amt offiziell eingeführt. In ihrer Predigt ging die 54-Jährige auf die Chancen und Risiken ein, die es mit sich bringt, das Wort Gottes zu verkündigen:

„Das Wort, was ist wie ein heller Schein in einer dunklen Kammer.“ Und auch wenn sie nicht wisse, welche Wege Gott mit ihr gehe, habe sie die Hoffnung, dass ihre Worte künftig nicht leer zurückkehrten, sondern hundertfache Frucht tragen dürften.

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Dr. Birgit Klostermeier mit Landesbischof Ralf Meister (links) und Superintendent Wolfgang Loos vor Klostermeiers offizieller Einführung. Bild: Claudia Sarrazin

„Meinungsgeilheit“ in den Medien

Um „meine Meinung“ zu aktuellen Themen bin ich gebeten. Ich meine, dass ich diese nicht geben möchte. Ich habe gar nicht mehr so viel Meinung zu vergeben, denn ständig und überall und erst recht im Internet und im Fernsehen wird mir meine Meinung abverlangt.

Nach jedem Hotelbesuch und jeder Reise traut man meiner auf dem Fragebogen hinterlassenen Meinung zu, dass sie das Unternehmen zum Positiven weiterentwickelt. Die Meinungsforscher in der Fußgängerzone nehmen mir meine Meinung ab, weil diese gemeinsam mit Ihrer Meinung, liebe Leserin und lieber Leser, die Marktentwicklung bestimme. Von „Meinungsgeilheit“ lese ich befremdet in den Medien.

Landessuperintendentin Birgit Klostermeier
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Bild: misterQM / photocase.com