Vaterfigur für das Denken
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Er war gleichermaßen engagierter Schriftsteller und bildender Künstler. Doch bekannt war Günter Grass vor allem für seine unbequemen politischen Kommentare. Am Montag ist der Nobelpreisträger im Alter von 87 Jahren gestorben.
Der Schriftsteller Günter Grass ist tot. Der Literaturnobelpreisträger starb im Alter von 87 Jahren in einem Lübecker Krankenhaus an einer Lungenentzündung, wie das Günter Grass-Haus bestätigte. Grass habe mit seiner Literatur und seiner Kunst die Menschen begeistert und zum Nachdenken gebracht, schrieb Bundespräsident Joachim Gauck an die Witwe Ute Grass. „Sein Werk ist ein beeindruckender Spiegel unseres Landes.“ Grass sei ein streitbarer und eigenwilliger politischer Geist gewesen, der Auseinandersetzungen und Kritik nicht fürchtete.
Spätestens seit Verleihung des Nobelpreises 1999 galt Grass als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart. Mehr als 70 Titel in rund 40 Sprachen umfasst sein Werk, das seit 1993 vom Göttinger Steidl Verlag herausgegeben wird. Größter Erfolg war „Die Blechtrommel“ (1959). Oskar Matzerath, der kleine Trommler und Außenseiter, erzählt das Leben im Danzig der Nazi-Zeit und der Nachkriegsjahre. Sein neuestes Buch „Von Endlichkeit“ beendete Grass dem Verlag zufolge erst vor wenigen Tagen. Der Lyrik- und Prosa-Band soll im Juli oder August erscheinen.
Vertreter aus Politik, Kultur und Gesellschaft würdigten den oft streitbaren Literaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Grass habe die Nachkriegsgeschichte Deutschlands mit seinem künstlerischen sowie seinem gesellschaftlichen und politischen Engagement wie nur wenige begleitet und geprägt. „Mit dem Tod von Günter Grass verliert die Bundesrepublik Deutschland einen Künstler, von dem ich mit tiefem Respekt Abschied nehme“, hieß es in dem Kondolenzschreiben Merkels an die Witwe Ute Grass.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schrieb an die Witwe, mit Grass verliere Deutschland einen engagierten Staatsbürger, der immer wieder öffentlich Stellung bezogen habe. Er habe keine noch so heftige Kontroverse gescheut. „Das machte ihn zu einer Instanz in der politischen Debatte, die zuweilen störte und manchmal auch verstörte.“
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte Grass eine „Vaterfigur für das Denken und Schreiben der erwachsen werdenden Bundesrepublik“. Viele hätten sich an ihm gerieben - „besonders diejenigen, die schnellstmöglich das Vergangene ruhen lassen wollten“. Wie kein zweiter deutscher Künstler sei er eingetreten für Rechte von Minderheiten, für soziale Gerechtigkeit und Demokratie.
Der Tod des 87-Jährigen sei nicht nur ein Verlust für Deutschland, sondern für die Weltliteratur, teilte die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland in Darmstadt mit. „Wie kein anderer verkörperte er den Typus des engagierten Intellektuellen, der keine Auseinandersetzung scheute. Er fand weltweit Gehör“, würdigte das PEN-Zentrum seinen Ehrenpräsidenten.
Grass literarisches Schaffen war weit über die Vergangenheitsbewältigung hinausgegangen. Zu seinen erfolgreichsten Romanen gehört „Der Butt“ (1977). Außerdem war Grass auch bildender Künstler und illustrierte teils auch seine Romane.
Politisch hatte der prominente Linke oft angeeckt. Er war mit Willy Brandt befreundet und unterstützte in den 60er Jahren die Wahlkämpfe der SPD. Erst 1983 wurde er SPD-Mitglied, trat aber 1993 nach Beschlüssen zur Asylpolitik wieder aus. Unermüdlich warnte er vor einem Wiederaufleben des Nationalismus.
Vor allem mit seinem Gedicht „Was gesagt werden “ gegen Israel brachte Grass 2012 Menschen gegen sich auf. Nicht der Iran, sondern Israel mit seinen Atomwaffen gefährde den Weltfrieden, heißt es dort. Harte Kritik musste er auch einstecken, als er 2006 öffentlich einräumte, dass er kurz vor Kriegsende Mitglied der Waffen-SS gewesen war. Zwar hatte er aus seiner Nazi-Begeisterung als Jugendlicher nie ein Hehl gemacht, doch man nahm ihm den späten Zeitpunkt des Geständnisses übel.
Geboren wurde Grass am 16. Oktober 1927 in Danzig, sein Vater war deutschstämmig, seine Mutter kaschubischer Abstammung. Im Zweiten Weltkrieg meldete er sich mit 15 Jahren freiwillig zur Wehrmacht. Nach seinem Kunststudium lebte er Ende der 50er Jahre in ärmlichen Verhältnissen in Paris. 1960 zog er nach Berlin, 1972 nach Wewelsfleth in Schleswig-Holstein. Zuletzt lebte Grass mit seiner zweiten Frau Ute in Behlendorf bei Lübeck.
epd„Für den gealterten Autor erscheint dieses Geständnis wie ein testamentarisches Fragment.
Doch der Aufruf zum Aussprechen der Wahrheit in poetischer Form geht an der Sache vorbei. Es gibt seit vielen Jahrzehnten eine Kritik aus Deutschland an der israelischen Politik und eine Debatte um die atomare Bewaffnung dieses Landes...“