Startseite Archiv Tagesthema vom 02. April 2015

Eigene Worte finden

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Da steht es nun. In lateinischen Buchstaben: „Jesus, der Nazarener, König der Juden.“ Damit jeder weiß, warum der Hingerichtete am Kreuz hängt. Ein politischer Wirrkopf, ein selbsternannter König, der das römische Weltreich herausgefordert hat. Und das versteht bei Machtfragen keinen Spaß. Potentielle Unruhen werden im Keim erstickt. Spaß beendet!

Für die Mächtigen ist es ein normaler Akt von Strafjustiz. Einer von vielen Tausenden im Jahr. Die Todesart ist mit Bedacht gewählt; sie soll abschrecken, deshalb ist sie besonders langwierig und grausam.

Für die Jesus-Anhänger in Jerusalem ist es eine traumatisierende Katastrophe. Am Kreuz hängt der, von dem sie nicht weniger als die Rettung der Welt erwartet haben. Vor ihren Augen verblutet und erstickt der, den haben sie vor ein paar Tagen noch als ‚Messias‘ und ‚König von Israel‘ ausgerufen haben.

Sie haben dafür keine Worte. Wochenlang nicht. Daran ändert auch die verstörende Botschaft des Ostermorgens nicht. Wie sollen zwei undenkbare Ereignisse zusammen gedacht werden? Es dauert lange, bis sie das Geschehene als Gottes Willen deuten können; und auch dann bleibt es immer noch ein Problem, angemessene Worte dafür zu finden. Wie kann Gott so etwas wollen? Und warum?

Das erste in sich geschlossene Gedankengebäude haben wir vom Apostel Paulus; im 2. Korintherbrief sagt er es so: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“

Worte, die deuten und selbst wiederum der Deutung bedürfen. Denn ausgehend von den Worten der ersten christlichen Generation müssen wir unsere eigenen Worte finden. Damit werden wir vermutlich nie an ein Ende kommen. Dafür ist das Geschehen von Karfreitag und Ostermorgen zu groß. Dafür ist Gott zu groß.

Ein entscheidendes Stichwort aber ist gegeben: Versöhnung! 

Der Text

Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber
Jesu Kreuzigung und Tod und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha.
Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten.
Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund.
Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied.

Johannes 19,16-30
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Bild: Jens Schulze

Der Autor

Reinhard Fiola ist Pastor im Evangelischen MedienServiceZentrum Hannover.