Eigene Worte finden
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Da steht es nun. In lateinischen Buchstaben: „Jesus, der Nazarener, König der Juden.“ Damit jeder weiß, warum der Hingerichtete am Kreuz hängt. Ein politischer Wirrkopf, ein selbsternannter König, der das römische Weltreich herausgefordert hat. Und das versteht bei Machtfragen keinen Spaß. Potentielle Unruhen werden im Keim erstickt. Spaß beendet!
Für die Mächtigen ist es ein normaler Akt von Strafjustiz. Einer von vielen Tausenden im Jahr. Die Todesart ist mit Bedacht gewählt; sie soll abschrecken, deshalb ist sie besonders langwierig und grausam.
Für die Jesus-Anhänger in Jerusalem ist es eine traumatisierende Katastrophe. Am Kreuz hängt der, von dem sie nicht weniger als die Rettung der Welt erwartet haben. Vor ihren Augen verblutet und erstickt der, den haben sie vor ein paar Tagen noch als ‚Messias‘ und ‚König von Israel‘ ausgerufen haben.
Sie haben dafür keine Worte. Wochenlang nicht. Daran ändert auch die verstörende Botschaft des Ostermorgens nicht. Wie sollen zwei undenkbare Ereignisse zusammen gedacht werden? Es dauert lange, bis sie das Geschehene als Gottes Willen deuten können; und auch dann bleibt es immer noch ein Problem, angemessene Worte dafür zu finden. Wie kann Gott so etwas wollen? Und warum?
Das erste in sich geschlossene Gedankengebäude haben wir vom Apostel Paulus; im 2. Korintherbrief sagt er es so: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“
Worte, die deuten und selbst wiederum der Deutung bedürfen. Denn ausgehend von den Worten der ersten christlichen Generation müssen wir unsere eigenen Worte finden. Damit werden wir vermutlich nie an ein Ende kommen. Dafür ist das Geschehen von Karfreitag und Ostermorgen zu groß. Dafür ist Gott zu groß.
Ein entscheidendes Stichwort aber ist gegeben: Versöhnung!
Bild: Jens Schulze