Ein bisschen wie Jesus fühlen
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Theo streckt keuchend die Zunge raus, fächelt sich mit der flachen Hand kühle Luft zu. „Boa! Ich hab von dem weißen Pfeffer probiert“, erklärt der Zehnjährige. Gerade eben noch stand er vor dem Eingang der evangelischen Andreasgemeinde in Osnabrück. Eine Zeitreise führt ihn nach Jerusalem, in die Zeit um 30 nach Christus. Hinter dem schweren, dunklen Vorhang finden Theo und rund 30 weitere Grundschüler sich unversehens in einem orientalischen Basar wieder - die erste von insgesamt acht Station des Ostergartens.
Neben den scharfen Körnern, die Theo so nachhaltig beeindruckt haben, lagern weitere Säcke mit Senfsamen, Zimtstangen, getrockneten Paprikastücken, Walnüssen. Gemusterte Teppiche und Decken, glitzernde Ketten und Kerzenhalter aus Messing schmücken die Wände. Schwaches Licht dringt hinter roten Lampenschirmen hervor.
Über Tische sind samtene Tücher gebreitet. Darauf stehen Holzschälchen mit Mohn, Curry, Oregano, Oliven und Apfelschnitzen. Es riecht ein wenig nach Nelken. Aus dem Hintergrund ertönen abwechselnd lautes Stimmengemurmel und orientalische Flötenklänge. „Fühlt sich sehr alt an“, flüstert Lourdia (9) und beißt genüsslich von einer Sesamstange ab. „Probieren ist hier ausdrücklich erlaubt“, sagt die pensionierte Lehrerin Edeltraut Scholz, die die Gruppe führt. Mit allen Sinnen die Ostergeschichte erleben - das ist der Ostergarten.
Vier Wochen lang haben mehr als 100 Ehrenamtliche und Pastor Johannes Euhus an der Umgestaltung des Gemeindezentrums der Freikirche gearbeitet. Sie haben Holzwände eingezogen, Mauern auf Textilwände gemalt, Steine aus Styropor und Fliesenkleber geformt und letztlich eine perfekte Kulisse für eine Zeit- und Gefühlsreise geschaffen. Geplant und vorbereitet haben sie schon seit Herbst letzten Jahres.
Bis Ostersonntag ist der Ostergarten in Osnabrück von morgens bis abends für Besucher geöffnet. Mehr als 2.000 haben sich angemeldet: Einzelpersonen, Schulklassen, Kita-Gruppen, Familien, Frauenkreise, Seniorenvereine, Nachbarschaftsinitiativen, sogar die CDU-Fraktion des Stadtrates.
Erfunden haben die Ostergärten Annette und Lutz Barth aus Linkenheim bei Karlsruhe. Die gelernte Bankkaufrau hat in den 80er Jahren in ihrer Kirchengemeinde mit Kindern gearbeitet. Sie erzählte die biblischen Geschichten nicht einfach nur, sondern ließ sie lebendig werden. „Sie hat schon immer den halben Haushalt mit dorthin geschleppt“, erzählt ihr Mann, der Florist und Religionspädagoge ist.
Im Jahr 2000 eröffneten sie den ersten Ostergarten. „Gedacht war er als einmaliges Projekt“, sagt Lutz Barth. Doch die überwältigende Resonanz hat sie bewogen weiterzumachen. „Wir haben offenbar mit unseren Führungen durch realistisch aussehende Kulissen, die alle Sinne ansprechen, einen Nerv getroffen.“
Die Barths haben unter dem Dach der Evangelischen Landeskirche in Baden ein Konzept entwickelt, das sie an andere weitergeben. Weitere Projekte sind entstanden, wie etwa die „Weihnachtszeitreise“ oder „Menschen begegnen Jesus“. In Planung ist eine lebendige Zeitreise „Mensch Luther“ zum Reformationsjubiläum 2017. Rund 180 überwiegend evangelische Gemeinden in ganz Deutschland haben bislang einen oder mehrere Ostergärten angeboten. Mehr als 74.000 Besucher aller Konfessionen haben sie erlebt.
Auch Pastor Euhus und sein Team haben ein buntes Publikum - evangelische, katholische und sicher auch einige muslimische Besucher sind nach Angaben des Pastors dabei. Die Schülergruppe ist nach langen dunklen Wegen vorbei am Kreuz und an der Grabkammer endlich im lichten Garten der Auferstehung angelangt. Vögel zwitschern, fröhliche Musik spielt, Blumen blühen, Seifenblasen fliegen umher. Diana (10) hat dennoch noch immer die Szene im Kopf, als Jesus verhaftet wird: „Da hab ich mich ein kleines bisschen wie er gefühlt und hatte auch ein bisschen Angst.“
Martina Schwager (epd)