Startseite Archiv Tagesthema vom 31. März 2015

Wissen, was passieren kann

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Der nach bisheriger Kenntnis offenbar absichtlich herbeigeführte Flugzeugabsturz in Südfrankreich kann nach Ansicht des evangelischen Pastors Matthias Stalmann die Bergungsmannschaften vor Ort an ihre psychischen Grenzen bringen. „Helfer wollen helfen, aber dort geht es nur um das Bergen von Trümmern und Leichenteilen. Das kann enorm belasten,“ sagte Stalmann dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Burgdorf bei Hannover. Entscheidend sei, dass für die Helfer nun ausreichende seelsorgerliche Angebote bereitgestellt würden.

Der Pastor arbeitete in der „Koordinierungsstelle Einsatznachsorge“ mit, die 1998 nach dem Unglück des ICE „Wilhelm-Conrad-Röntgen“ im niedersächsischen Eschede bei Celle rund ein Drittel der damals mehr als 2.000 Helfer betreute. Beim dem Zugunglück kamen 101 Menschen ums Leben, weitere 100 wurden zum Teil schwer verletzt. Der Einsatz dort sei extrem schwierig für alle Beteiligten gewesen, aber es habe in allem Leid auch Momente der Hoffnung gegeben, sagte Stalmann.

„In Eschede konnten sich die Helfer vielleicht sagen: Ich habe wenigstens jemanden erfolgreich reanimiert oder ich habe geholfen, eine Person aus den Trümmern zu ziehen. Das fällt bei dem Einsatz an der Absturzstelle in Frankreich komplett weg.“

Die Helfer könnten dennoch psychisch entlastet werden, sagte Stalmann. „Vielleicht gelingt es der Einsatzleitung, sie möglichst nicht mit Angehörigen zusammentreffen zu lassen.“ Zwar müssten die Bergungsmannschaften auch dann noch schreckliche Eindrücke verarbeiten, sie würden aber nicht zusätzlich zu ihrer Arbeit direkt mit den persönlichen Schicksalen der Angehörigen konfrontiert.

Um das Unglück zu verarbeiten seien zudem strukturierte Gespräche nach den Einsätzen wichtig. „Die Leute müssen wissen, was mit ihnen passieren kann, aber nicht muss“, sagte der Seelsorger. Er selbst habe erlebt, wie ein Helfer erst mehrere Monate nach dem Einsatz in Eschede plötzlich psychische Belastungsreaktionen gezeigt habe: „Genau deshalb ist es wichtig, dass die Einsatzkräfte jetzt schon erfahren, dass so etwas passieren kann.“

Körperliche und seelische Reaktionen nach so einem extremen Einsatz seien völlig normal, betonte Stalmann: „Wer darauf nicht reagiert, der ist nicht normal.“ Wichtig sei, dass Kollegen und auch Lebenspartner die Einsatzkräfte bei der Bewältigung unterstützten. Sie sollten auf Signale für Belastungen achten und diese möglichst gezielt zur Sprache bringen: „Ein feinfühliger Partner oder Kollege kann jetzt eine enorme Stütze sein. Er kann das Problem vielleicht nicht lösen, aber er kann dabei helfen, einen Weg zu finden.“

epd

Was bleibt ist der Beistand

„24. März kurz nach 11:00 - erste Meldungen treffen am Flughafen Hannover ein, dass etwas ganz Schlimmes geschehen sei. Es wird befürchtet, dass eine Germanwings-Maschine abgestürzt sei. Schnell bestätigt sich diese Nachricht. 150 Menschen waren an Bord. Sie werden wohl tot sein.

Bei allen, die am Flughafen arbeiten, laufen innerlich Bilder des Schreckens ab. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Germanwings und der Lufthansa sind kaum in der Lage zu arbeiten. Ich muss sofort an meinen Kollegen Detlev Toonen aus Düsseldorf denken. Ich weiß genau, in welchem Ausnahmezustand er sich jetzt befindet...“

Ulrich Krämer, Pastor und Seelsorger am Flughafen in Hannover