Nur ein Muli
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„Sie war ja nur ein Muli“ – vielleicht haben Sie auch den Tatort am vergangenen Sonntag verfolgt. Eingepackt in einen spannungsreichen Thriller erschüttert mich die Story der Hauptdarstellerin: Ein junges Mädchen ist auf der Flucht. Ihre Freundin starb auf grausame Weise. Beide waren sie ein „Muli“. So werden die Menschen in der Drogenszene genannt, die in ihrem Körper Drogen schmuggeln. Wie ein treues und zuverlässiges Lasttier. Ein gefährlicher Job, denn jederzeit könnte eines der Päckchen platzen und den Körper zerstören. Wie verzweifelt müssen Menschen sein, die so ein Risiko auf sich nehmen? Väter, die sich mit diesem Auftrag so viel Geld verdienen, dass sie ihre Familie damit ein halbes Jahr lang ernähren können. Junge Frauen, die Hoffnung auf ein besseres Lebens investieren und dabei ihr Leben aufs Spiel setzen.
Was ist das für eine Welt, in der Menschen andere Menschen als Lasttier benutzen, ihren Tod in Kauf nehmen, um das große Geld zu machen? Wird es nicht endlich Zeit, aufzuwachen und diesem Treiben das Handwerk zu legen?
Eine Seniorin beim Einkaufen sagte zu mir: „Ich komme nicht mehr mit, ich verstehe diese Welt nicht mehr.“. Eine junge Mutter in Kindergarten klagt: „Ich sorge mich um die Zukunft unserer Kinder“. Ich kann sie verstehen. Kopfschüttelnd verfolge auch ich die vielen erschreckenden Meldungen in den Medien über Gewalt und Terror oder das Leid vor Ort. Es ist Zeit für eine neue Zeit.
Jesus reitet auf einem Esel, einem sogenannten „Muli“, in Jerusalem ein. Die Menschen begrüßen ihn mit „Hosianna“ Rufen, wedeln mit Palmenzweigen und werfen ihre Kleider zu Boden. Sie warten schon lange auf die neue Zeit. Auf einen König, der sie aus ihrem Elend herausreißt und ihnen ein besseres Leben verheißt. Ein Herrscher, der die Missstände beseitigt und die Gewalttätigen zur Rechenschaft zieht. Doch der König kommt nicht mit Stärke, nicht auf einem hohen Ross mit einem Heer, das die Herrschenden niederschlägt.
„Ein Gerechter und Helfer wird kommen, arm reitet er auf einem Esel und wird Frieden bringen.“ So hat es der Prophet Sacharja vorhergesagt. Frieden nicht mit dem Schwert, sondern Frieden mit Sanftheit und Liebe. Am Ende der Woche wird er gekreuzigt werden. Weil er sich nicht wehrt. Weil es Gottes Wille ist. Weil er uns nur so seine Liebe erweisen kann.
Es ist Zeit für eine neue Zeit. In der Karwoche denke ich besonders an das Leid vieler Menschen. Ich klage und bete zu Gott und lasse mich einstimmen in die Melancholie der stillen Woche. Das tut mir gut: zur Ruhe zu kommen. Und auch die traurigen oder entsetzten Gedan-ken zuzulassen. Einmal nicht alles ausblenden, was beschwert oder trübt.
Mein Glaube hilft mir dabei. Denn ich weiß: Am Ende siegt das Leben. Am Ende der düsteren Zeit, durch den Tod hinaus, wird Jesus wieder auferweckt. Gott selbst wird aktiv und dort, wo alles verloren schien, ist Lebendigkeit, Zukunft und Hoffnung.
Es ist Zeit für eine neue Zeit. In der Karwoche bereite ich mich auf diese neue Zeit vor. Nicht alles Leid, aller Missbrauch oder jedes persönliche Schicksal wird sofort zum Guten gewendet. Aber ich weiß, dass Gottes Herrschaft anbricht. Mit Ostern, mit Jesus Christus.
Manchmal ganz unscheinbar, klein und kaum zu sehen. Wo Hoffnung aufkeimt und sich neue Wege zeigen. Wo Heilung geschieht, Versöhnung oder neue Freundschaften möglich werden.
Das Gute und das Lebendige tritt seine Herrschaft an. Bescheiden, wie auf einem Esel.
Und noch eine gute Nachricht: Das Mädchen überlebt.
Bild: Jens Schulze
Birgit Birth. Bild: privat