Startseite Archiv Tagesthema vom 20. März 2015

Machtspiele

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Die Tränen laufen. Der Schluckauf kommt dazu. Joshua kuschelt sich fest an. Von nebenan dringt lautes Lachen. „Eine Schatzsuche?“ „Ja!“. Der Geburtstagstisch im Kindergarten ist schon gedeckt. Kerzen und Luftschlangen. Alle drängeln sich dort um Neda. „Guck mal!“ Leander zeigt mir seine Einladungskarte. Ein Pirat ist darauf. Seinen Fuß hat er auf einer Kiste abgestellt. Dann läuft er wieder zu den anderen.

Ich gehe weiter. In der Küche ist es jetzt still. Dort, wo Worte nicht mehr taugen, bleiben nur die Tränen. Brigitte fährt mit ihrer Hand über Joshuas Haare. Das zerfledderte Taschentuch reicht gerade noch, um die Nase zu putzen. „Er ist nicht eingeladen“, sagt sie zu mir. Ich nicke. Die Welten, die uns zusammenbrechen können, sind viele.

Die Evolutionsbiologie nennt „Dazugehören“ eine wichtige Überlebensstrategie. Ich muss nicht der Stärkste sein, wenn ich den stärksten Freund habe. Und so versuche ich den Wichtigen auf meine Seite zu ziehen. Mache mich Liebkind. Spanne Netzwerke. Je wichtiger einer, desto mehr drängeln sie sich. „Ach, Herr, lass uns doch die Allerliebsten sein“, sagen die einen. Und die anderen murren.

„Ihr wollt Macht haben?“, fragt Jesus. Und ich kann ihn mir ihn nicht ohne liebevolles Schmunzeln dabei vorstellen. Aber dann wird er grundsätzlich. Kein Kinderkram mehr: „Ihr wisst, wie die Machthaber der Welt ihre Völker unterdrücken!“ Wer die Macht hat nutzt sie aus. Ein Kaiser könne niemals Christ sein, meinte der Kirchenvater Justin im zweiten Jahrhundert. Und wie perfide wird es heute in einer Welt, in der eine behauptete „Gottesnähe“ als ein Kriterium benutzt wird, um Machtansprüche geltend zu machen: Unser Krieg ist gottgewollter. Gerechter. Und jede dieser Aussagen entblößt nur die Selbstgerechtigkeit derjenigen, die sie behaupten. „Ihr wisst nicht, was ihr bittet“, sagt Jesus.

„Bei euch soll es anders sein! Wer unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Dienen ist ein altes Wort – besonders in einer Welt, die als höchsten Wert „Freiheit“ bezeichnet. Wie wär’s denn, wenn die größere Freiheit nicht darin liegt, sie für sich selbst einzufordern, sondern sie anderen zu ermöglichen? In seiner indogermanischen Wortherkunft birgt das deutsche Wort für Dienen noch einen anderen Charakter als den verknechteten. Dienen kommt eigentlich von laufen, gehen. Der Diener war ursprünglich der Läufer. Einer, der eine Botschaft überbrachte, der dem Verständnis diente. Einer, der verband.

„Dazu bin ich gekommen“, sagt Jesus. „Dass ich diene.“ Um zu verbinden: Kummer mit Trost zum Beispiel. Oder dich mit dem anderen. Dass heil wird, wo etwas gebrochen war. Tränen weinen und Tränen trocknen. Karfreitag mit Ostern. Himmel und Erde. Ein Lösegeld für viele.

In der Passions- bzw. Fastenzeit vor Ostern werden in Niedersachsen die vier evangelischen Bischöfe und der Kirchenpräsident mit den drei katholischen Bischöfen die Kanzeln tauschen. Die niedersächsischen leitenden Geistlichen betonen damit, dass sie in ökumenischer Verbundenheit auf das Reformationsjubiläum und Reformationsgedenken 2017 zugehen wollen.

Am 1., 8., 15. und 22. März 2015 halten sie in Kirchen der jeweils anderen Konfession Fasten- bzw. Passionspredigten.

Am 22. März 2015 predigen:
- Bischof Dr. Franz-Josef Bode um 17 Uhr in der St. Georgs Kirche in Weener (Evangelisch-reformierte Kirche)
- Landesbischof Ralf Meister um 17.30 Uhr im Dom St. Petrus in Osnabrück (Bistum Osnabrück)
- Bischof Norbert Trelle um 18 Uhr in der Marktkirche St. Georgii et Jacobi Hannover (Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers)

(Pressestelle der Landeskirche Hannovers)

Der Text

Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes und sprachen: Gib uns, dass wir sitzen einer zu dei-ner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. Da rief Jesus die Jünger zu sich und sprach: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein.

(Aus Markus 10,35-45)
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Bild: Jens Schulze

Der Autor

Pastor Mathis Burfien ist im Landeskirchenamt für die Nachwuchsförderung zuständig.

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 Mathis Burfien. Bild: privat

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Die Andacht ist veröffentlicht in der Evangelischen Zeitung.