Startseite Archiv Tagesthema vom 03. März 2015

„Stammvater“ und „Patriarch“

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Der Publizist und frühere Verlagsdirektor Gerhard Isermann ist tot. Der Pastor und langjährige Leiter der evangelischen Publizistik in Niedersachsen und Bremen starb im Alter von 83 Jahren, wie der Abt des Klosters Loccum und frühere hannoversche Landesbischof Horst Hirschler dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte.

Der jetzige Landesbischof Ralf Meister würdigte Isermann als „leidenschaftlichen Streiter für Diskurs und Redlichkeit“. Die kirchliche Publizistik in Niedersachsen und Bremen habe Isermann sehr viel zu verdanken. „Er hat in besonderer Weise theologische und kirchliche Themen in präziser Sprache und mit klaren Worten vermittelt“, sagte Meister. „Seine Zwischenrufe und Anmerkungen werden uns fehlen.“

Isermann war von 1979 bis zu seinem Ruhestand 1996 Direktor des damaligen Evangelischen Presseverbandes Niedersachsen-Bremen, der unter seiner Leitung zum Verband Evangelischer Publizistik Niedersachsen-Bremen (VEP) wurde. Der Verband ist Herausgeber für den Landesdienst Niedersachsen-Bremen des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Für den Aufsichtsrat des VEP sagte dessen Vorsitzender Arend de Vries, Isermann habe eine Vorreiterrolle in der kirchlichen Publizistik innegehabt: „Er hat insbesondere die Gründung des VEP, dem alle evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen angehören, maßgeblich mit vorangetrieben.“ VEP-Geschäftsführer Ralf Müller hob hervor, Isermann habe stets für die Freiheit und Unabhängigkeit des Journalismus gekämpft.

Gerhard Isermann war auch als Herausgeber der „Evangelischen Zeitung“ sowie als Leiter und Lektor des Lutherischen Verlagshauses Hannover (LVH) tätig. In dem Verlag veröffentlichte er auch im Ruhestand eigene Bücher. Auch an der Einrichtung des Evangelischen Kirchenfunks Niedersachsen (ekn), der seit 1986 Beiträge für den privaten Hörfunk produziert, war Isermann maßgeblich beteiligt.

Der aus Göttingen stammende Theologe arbeitete zunächst als Gemeindepfarrer und danach als Schul- und Jugendpastor. Er gehörte in den 1970er Jahren zu den bekanntesten Sprechern des „Wortes zum Sonntag“ im Fernsehen. 1972 berief ihn die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers zu ihrem ersten Pressesprecher.

Auch überregional war Isermann in der protestantischen Medienbranche stark engagiert. So gehörte er dem Vorstand des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) und dem GEP-Hauptausschuss Zeitschriften an. Isermann war zudem einer der Mitbegründer der Konferenz der Evangelischen Medien- und Presseverbände (KEMPV), einem Vorläufer des Evangelischen Medienverbands in Deutschland (EMVD).

epd

Fast 20 Jahre ist es her, dass Gerhard Isermann für das Buchprogramm des Lutherischen Verlagshauses verantwortlich war. Wann immer es eine Frage zu Autorenverträgen aus der Anfangszeit des LVH oder zu altbewährten Buchreihen gab, war er mein Ansprechpartner. Auf sein exzellentes Gedächtnis konnte man sich unbedingt verlassen. Eine gemeinsame Recherche im Verlagsarchiv sparte viel Zeit fürs Suchen und ließ ein Stück reiche Verlagsgeschichte lebendig werden. Es war nicht immer angenehm, wenn er sich kritisch mit Büchern unter meiner Federführung auseinander gesetzt hat, seine Kritik aber war immer klug und lehrreich. Seine Hilfsbereitschaft und Sachkunde werde ich sehr vermissen.

Corina Kruse-Roth, Programmleiterin Lutherisches Verlagshaus GmbH

Vor einem Vierteljahrhundert schon, 1970, wurde er zum beliebtesten Sprecher des „Wortes zum Sonntag“ gewählt. Nach seinem 65. Geburtstag im August ist der Direktor des Verbandes Evangelischer Publizistik Niedersachsen-Bremen jetzt in den Ruhestand getreten.

An diesen Tatbestand muß unsereins sich erst gewöhnen: Der tatkräftige, gelegentlich bärbeißige, zugleich feinfühlige Pastor Isermann gehört zu den wirksamen Potenzen und prägenden Geistern der publizistischen Szene, ein Fürst der evangelischen Publizistik.

Er hat das Medienzentrum in Hannover auf dem Boden der Kirchengrenzen überschreitenden niedersächsischen Konföderation zu einem der vier bis fünf größeren Relais der evangelischen Publizistik ausgebaut, er hat nach der deutschen Vereinigung seinen Fuß auf verlegerisches Alt-Neuland in den östlichen Kirchen gesetzt und ist zu einem der gewieften Bauherrn und Taktiker, aber auch zum spiritus rector der Verbandsarbeit geworden...

Hans Norbert Janowski, in „Informationen aus dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik“, September 1996

„Sein Ruf war nachhaltig“

Ich bedaure, dass ich nie direkt mit Gerhard Isermann zusammengearbeitet habe. Er war mir aber schon bekannt, als ich noch bei der Tageszeitung arbeitete, sein Ruf war auch dort nachhaltig. Und seitdem ich für die Evangelische Zeitung Verantwortung übernommen habe, standen wir in häufigem Kontakt. Er war „seiner“ EZ und den Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion weit über den Ruhestand hinaus eng verbunden. Es war eine Freude, mit Gerhard Isermann zu streiten, von ihm zu lernen und ihn als publizistischen Wegbegleiter an seiner Seite zu wissen.

Michael Eberstein, Chefredakteur Evangelische Zeitung

850 Jahre Kloster Loccum

Wozu gibt es Klöster?

Man trainiert dort Tröster!

Ein Vikar in Loccum - ganz ohne Häme

sieht daher viele Probleme,

aber die löst er.

Gerhard Isermann, Limerick zum Kloster Loccum, 2013
Loccum_S24 plus Klappentexte

Broschüre: Wort halten. Kloster Loccum 1163-2013 - 850 Jahre. Bild: Kloster Loccum / LVH

Stets verpflichtet

Gerhard Isermann war für mich eine Art „Patriarch“ im besten Sinn. Als „Stammvater“ der evangelischen Publizistik in Niedersachsen hatte er ein wachsames Auge auf alles, was geschrieben und publiziert wurde. Einem konstruktiven Streit in der Sache ging er dabei nie aus dem Weg. Gleichzeitig fühlte er sich seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stets verpflichtet. Bei Konflikten mit Außenstehenden stellte er sich schützend an ihre Seite. Bei persönlichen Problemen war er Zuhörer, Berater und Tröster. So habe ich ihn erlebt, so werde ich ihn in dankbarer Erinnerung behalten.

Ulrike Millhahn, Chefredakteurin Evangelischer Pressedienst (epd)

Helden, Zweifler und Versager

Ob „Dornenvögel“ oder Großinquisitor: Pfarrer sind beliebte Figuren in Romanen und Erzählungen. Der hannoversche Pastor Gerhard Isermann hat rund 200 Bücher ausgewertet, in denen Dichter das Leben der Geistlichen in allen Facetten schildern.

Sie kämpfen voller Gottvertrauen für Gerechtigkeit. Sie setzen sich für die Schwachen ein und scheitern doch manchmal an ihren eigenen Ansprüchen. Pfarrer sind in Büchern oft als Romangestalten anzutreffen. Ihre Rolle ist dabei häufig zwiegespalten, sagt der evangelische Pastor und frühere Verbandsdirektor Gerhard Isermann: „Versagen und Bewähren sind oft vereint, ob in den Büchern oder in der Wirklichkeit.“

Juni 080

Der Autor: Gerhard Isermann. Bild: Cordula Paul

Präzision war seine Sache

„Haben Sie mal die Seligpreisungen mit der Stoppuhr in der Hand gelesen?“ So fragte einst Gerhard Isermann in der hannoverschen Landessynode. Der streitbare Direktor des Verbandes Evangelischer Publizistik kämpfte gerade für die Gründung einer kircheneigenen Radio-Redaktion, um den entstehenden privaten Rundfunksendern passende Angebote machen zu können. Doch den skeptischen Synodalen war der „Dudelfunk“, wie die privaten Hörfunksender abschätzig genannt wurden, suspekt. Und wie könne die biblische Botschaft dort schon in eineinhalb Minuten Sendezeit untergebracht werden?