Startseite Archiv Tagesthema vom 08. Februar 2015

Ein Pastor spaltet eine Stadt

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In einem von der Polizei geschützten Gottesdienst hat sich der Vorstand der evangelisch-konservativen St.-Martini-Gemeinde in Bremen erneut hinter seinen umstrittenen Pastor Olaf Latzel (47) gestellt. Vorstand und Gemeinde seien dankbar für die klare und bibelorientierte Wortverkündigung ihres Pastors, sagte Vorstandssprecher Jürgen Fischer in einer Erklärung vor rund 500 Besuchern in einer überfüllten Kirche. Die Gemeinde reagierte auf die Stellungnahme mit langanhaltendem Applaus und erhob sich vor Latzel.

„Sollten einige seiner Formulierungen die religiösen Gefühle anderer verletzt haben, so tut uns dieses leid und wir bitten auch im Namen von Pastor Latzel hierfür um Entschuldigung“, sagte Fischer. Die Predigt habe sich nicht gegen andere Religionen gerichtet, sondern kritisiere eine Religionsvermischung, die sich in Kirche und Gesellschaft ausbreite. „Den Vorwurf, wir würden andere Religionen verhöhnen, weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück.“ Ähnlich hatte sich der Vorstand schon vor einigen Tagen geäußert.

Der Finanzexperte der Kirchengemeinde ergänzte, aus der Bibel gehe hervor, dass der Gott der Bibel nicht der Gott des Korans sein könne. „Das Feiern gemeinsamer Gottesdienste oder Gebete mit Imamen oder Vertretern anderer Religionen ist daher nicht möglich.“ Auch Glücksbringer, Buddha-Statuen oder Reliquienverehrung gehörten nicht zum evangelischen Christen.

Das bedeute aber nicht, dass die Martini-Gemeinde und Pastor Latzel anderen Religionen nicht respektvoll begegneten. Latzel habe ganz im Gegenteil in seiner Predigt darauf hingewiesen, dass Christen die Pflicht hätten, für ein gutes Zusammenleben mit Mitbürgern anderen Religionen zu sorgen. Pastorinnen und Pastoren, die sich in den vergangenen Tagen mit Erklärungen und einer Protestaktion von Latzel distanziert hatten, kritisierte Fischer scharf. Sie müssten sich fragen lassen, ob sie sich noch Gott und dem biblischen Bekenntnis verbunden fühlten.

In seiner Predigt sagte Latzel diesmal, die vergangene Woche „war nicht vergnügungssteuerpflichtig für mein Leben“. Er finde aber Kraft in Gottes Wort. Mit Blick auf die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) werde er „ganz traurig“. Sie sei zwar gesellschaftlich und diakonisch aktiv. Aber „eine Kirche, die nicht ausstreut das Wort Gottes, die verhungert“.

Der Gottesdienst lief unter Beobachtung von Polizeibeamten, die sich gegenüber der Kirche in einem Mannschaftswagen postiert hatten. Das sei eine reine Vorsichtmaßnahme gewesen, sagte eine Sprecherin der Polizei dem epd. Es habe keine konkreten Hinweise auf Störungen gegeben.

epd

Dutzende Pastorinnen und Pastoren der evangelischen Kirche haben bereits vergangene Woche im Talar auf den Treppen des Bremer St.-Petri-Domes für einen friedvollen Dialog der Kulturen und Religionen demonstriert. Anlass war die umstrittene Predigt ihres streng konservativen Kollegen Olaf Latzel, der vor gut zwei Wochen in einer Predigt andere Religionen beleidigt hat. Er predigte außerdem, Gott fordere Christen dazu auf, gegenüber anderen Religionen Schnitte zu ziehen. „Das ist klassischer Fundamentalismus,“ warnte Pastor Bernd Klingbeil-Jahr, der zu den Initiatoren der Protestaktion gehörte.

„Wer Bibeltexte als Schlagwaffe missbraucht, sollte sich nicht bibeltreu nennen,“ zitierte Klingbeil-Jahr aus einer Erklärung, die mittlerweile fast 70 Pastorinnen und Pastoren unterzeichnet haben. Darin heißt es weiter: „Wir distanzieren uns entschieden von Fundamentalismus jedweder Art - und von allen Versuchen, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Antisemitismus oder rassistisches Gedankengut mit vorgeblich biblischem Glauben zu bemänteln.“

In einer anschließenden Andacht im Dom sagte der Bremer Pastor Hans-Jürgen Jung, Jesus Christus stehe für Vielfalt und sei "der Anti-Fundamentalist par excellence". Latzel hatte in seiner Predigt in der Bremer St.-Martini-Gemeinde über einen Text aus dem Alten Testament (Richter 6, Vers 25 bis 32) geredet. Er betonte, für Christen gäbe es nur einen Gott, Gemeinsamkeiten mit dem Islam existierten nicht. Zu Götzen und anderen Göttern sage Gott "umhauen, verbrennen, hacken, Schnitte ziehen".

Wer sich einen harten Text heraussuche und behaupte, das sei unmittelbar Gottes Wort für uns heute, „kann mit der Bibel alles machen,“ sagte der Bielefelder Theologieprofessor Frank Crüsemann dem epd. „Wer Menschen im Namen des Koran enthauptet, geht - methodisch gesehen - nicht viel anders vor.“ Gott als eine einzige Größe sei eine Kernbotschaft des Alten Testamentes, die aber auch bedeute, dass Gott nicht ausschließlich den Rechtgläubigen gehöre.

Nach Auffassung des hannoverschen Islambeauftragten Wolfgang Reinbold geht die Warnung Latzels vor einer Vermischung der Religionen ins Leere. „Niemand will die Religionen vermischen und eine Art Superreligion konstruieren. Die entscheidende Frage ist, ob wir den Dialog mit Muslimen suchen oder ihn ablehnen und statt dessen Polemiken von uns geben wollen“, sagte der Experte der hannoverschen Landeskirche. Es müsse darum gehen, das Gemeinsame in den Religionen zu suchen und das Trennende im gegenseitigen Respekt zu benennen.

Im Internet erfährt Latzel große Unterstützung von evangelisch-konservativen Christen, die eine Aktion „Solidarität mit Olaf Latzel“ mit bisher über 5.000 mal „Gefällt mir“ gegründet haben. Mit einer Petition sammeln sie Unterschriften, die an die Bremer Staatsanwaltschaft übergeben werden soll. Die Ermittlungsbehörde prüft, ob die Predigt Latzels den Anfangsverdacht einer Straftat wie Volksverhetzung oder Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft erfüllt.

epd

„Wir bedauern...“

Mitglieder der Kirchenleitung der Bremischen Evangelischen Kirche haben sich für Teile einer Predigt entschuldigt, in denen der umstrittene Bremer Pastor Olaf Latzel (47) andere Religionen beleidigt hat. Die Entschuldigung richteten Kirchenpräsidentin Edda Bosse und Schriftführer Renke Brahms in einer Erklärung an muslimische, buddhistische und katholische Gesprächspartner im interreligiösen Dialog. Bosse und Brahms hatten sich zuvor mit Pastor Latzel und Vorstandsmitgliedern seiner St.-Martini-Gemeinde zu einem Gespräch getroffen.

Als Pastor der evangelischen Landeskirche hatte Latzel vor gut zwei Wochen in einer Kanzelrede das islamische Zuckerfest als „Blödsinn“ und Buddha als „dicken, fetten Herrn“ bezeichnet. Zudem sprach er vom katholischen „Reliquiendreck“. Die Bremer Staatsanwaltschaft prüft, ob die Predigt den Anfangsverdacht einer Straftat wie Volksverhetzung oder Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft erfüllt.

Die bremische Kirche führe den Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen aus christlicher Überzeugung respektvoll und wertschätzend, heißt es in der Erklärung, die gemeinsam mit der St.-Martini-Gemeinde veröffentlicht wurde. Beleidigungen, Diskriminierung und Kränkung der Gesprächspartner sowie aller evangelischen Christinnen und Christen, die seit Jahren engagiert dieses Gespräch suchten und führten, „haben hier keinen Raum“. Pastor Latzel habe sich im Gespräch für alle Äußerungen entschuldigt, mit denen er Menschen anderer Religionen und Konfessionen diskriminiert und beleidigt habe.

epd

„Wir sind bemüht, das zu erledigen“

Die Bremer Staatsanwaltschaft prüft weiterhin eine heftig umstrittene Predigt des evangelischen Pastors Olaf Latzel (47), der im Januar von der Kanzel herab andere Religionen beleidigt hat. „Wir sind bemüht, das zu erledigen",“ sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, am Donnerstag dem epd und ergänzte: „Da mögen vielleicht noch ein paar Tage ins Land gehen.“ Die Ermittlungsbehörde untersucht, ob die Predigt den Anfangsverdacht einer Straftat wie Volksverhetzung oder Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft erfüllt.

Latzel hat sich zwischenzeitlich zwar für einzelne Passagen entschuldigt, steht aber zum grundsätzlichen Inhalt seiner Predigt. Er sei gegen die Vermischung des Christentums mit anderen Religionen, wies er weitere Kritik zurück. Sein Kirchenvorstand steht zu ihm.

epd