Startseite Archiv Pressemitteilung vom 18. Februar 2022

Vorwurf der sexualisierten Gewalt gegen verstorbenen Pastor

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Gegen den 2011 verstorbenen Pastor Klaus Vollmer (Hermannsburg) gibt es den Vorwurf, dass er in den 1980er Jahren als Leiter einer von ihm gegründeten Bruderschaft seine Macht für sexuelle Beziehungen zu Mitgliedern dieser Bruderschaft missbraucht und an einer minderjährigen Person mehrfach sexualisierte Gewalt ausgeübt hat. Die betroffene Person meldete sich im Rahmen eines Aufarbeitungsprozesses der Evangelischen Geschwisterschaft. Diese ist im Jahr 2011 aus der Bruderschaft hervorgegangen und hat den Bericht des Aufarbeitungsprozesses jetzt auf ihrer Internetseite öffentlich gemacht.

Ergänzend zu dem vorliegenden Bericht der von der Geschwisterschaft eingesetzten Aufarbeitungskommission wird die Landeskirche Hannovers eine umfassende Aufarbeitung durch externe Fachleute in Auftrag geben, um die Vorwürfe gegen Klaus Vollmer und das Handeln der in der Landeskirche Verantwortlichen zu untersuchen. Gleichzeitig bittet die Landeskirche mögliche weitere Betroffene sich bei nicht-kirchlichen Fachstellen, der Zentralen Anlaufstelle „help“ oder bei der landeskirchlichen Fachstelle Sexualisierte Gewalt zu melden.  Diese Bitte gilt auch für all jene, die Zeuginnen oder Zeugen sexueller Übergriffe geworden sind oder Verdachtsmomente wahrgenommen haben.

Im Frühjahr 2017 wurde innerhalb der Evangelischen Geschwisterschaft bekannt, dass es durch Klaus Vollmer gegenüber erwachsenen Männern zu sexuellen Beziehungen sowie zu sexuellen Übergriffen gekommen war. Die Geschwisterschaft beschloss daraufhin, dass eine Aufarbeitungskommission unter Einbeziehung von externen Fachleuten den Vorwürfen nachgehen solle. Den Bericht über diesen Aufarbeitungsprozess, den die Landeskirche Hannovers finanziell unterstützt hat, legte die Kommission im Herbst 2020 der Geschwisterschaft und der Landeskirche zur Beratung vor. Im Herbst 2021 hat die Geschwisterschaft auf ihrer Homepage darüber berichtet. Dort heißt es, der Bericht dokumentiere „Machtmissbrauch auf seelsorglicher, geistlicher und sexueller Ebene, der die Lebensführung und Lebensentscheidungen Einzelner nicht unerheblich beeinflusste“. Innerhalb der Bruderschaft bzw. Geschwisterschaft, so die Kommission weiter, konnten im Rahmen der Untersuchung keine strafrechtlich relevanten Sachverhalte ermittelt werden.

In seinem Votum innerhalb des Berichts kommt der Therapeut und Theologe Dr. Christian Braune, der nicht der Geschwisterschaft angehört und als unabhängiger Gutachter in der Kommission mitgearbeitet hat, zu der Einschätzung, es habe im Hinblick auf Klaus Vollmer eine „mangelnde Wahrnehmung der Aufsichtspflicht“1 durch die Landeskirche gegeben. Faktisch sei „das missbräuchliche Verhalten des Geistlichen Klaus Vollmer“1 durch die „Personalaufsicht der Hannoverschen Landeskirche mitermöglicht“1 worden.

Während der Erstellung des Berichts meldete sich bei der Landeskirche Hannovers eine Person, die schilderte, dass sie im minderjährigen Alter von Klaus Vollmer mehrfach sexuell missbraucht worden sei. Die Landeskirche Hannovers hat die Information über die Vorwürfe an die Aufarbeitungskommission der Geschwisterschaft weitergegeben. Wie sich in Gesprächen zwischen der Landeskirche und der Geschwisterschaft in den letzten Wochen herausgestellt hat, sind nicht alle Informationen an die Aufarbeitungskommission weitergeleitet worden, und in Teilen waren die übermittelten Informationen auch sachlich nicht richtig. Dieses führte dazu, dass der Vorwurf nicht in die Aufarbeitung einbezogen wurde. Das Landeskirchenamt hat daher jetzt disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet, die von einer anderen Landeskirche durchgeführt werden.

Weiter hat die Landeskirche eine grundlegende Bewertung des Berichts der Aufarbeitungskommission und des Vorwurfs der sexualisierten Gewalt gegenüber Klaus Vollmer vorgenommen. Die Vorwürfe zu Versäumnissen bei der Wahrnehmung der dienstlichen Aufsicht über Klaus Vollmer und der Hinweis auf sexualisierte Gewalt gegenüber einer minderjährigen Person machen aus Sicht der Landeskirche einen ergänzenden Aufarbeitungsprozess erforderlich, der das Wirken von Klaus Vollmer als Pastor der Landeskirche, die Wahrnehmung der landeskirchlichen Aufsicht und den Umgang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zum Gegenstand hat. Dieser Aufarbeitungsprozess soll vollständig durch externe Fachleute durchgeführt werden. Die Landeskirche wird keinerlei Einfluss auf die Erarbeitung nehmen und die Ergebnisse ohne jede Einschränkung öffentlich zugänglich machen.

Der Vorwurf des Missbrauchs in sexueller, spiritueller und seelsorglicher Hinsicht gegen Pastor Klaus Vollmer wiegt für die Landeskirche schwer. Verkündigung des Evangeliums und Machtmissbrauch widersprechen sich. Dass Menschen unfrei und in ihrer Seele verletzt werden, ist das Gegenteil dessen, worauf christliche Verkündigung zielt. Das Wirken von Klaus Vollmer als Pastor muss aufgrund der jetzt vorliegenden Erkenntnisse grundlegend neu bewertet werden.

Zur Person Klaus Vollmer: Der Theologe Klaus Vollmer (Jahrgang 1930) war ab 1958 Mitarbeiter des Amtes für missionarische Dienste der Landeskirche. 1968 wechselte er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Volkmission als Pfarrvikar nach Herrmannsburg2. Ab 1972 arbeitete er bis zu seinem Ruhestand 1995 als Pastor in der Volksmission der Landeskirche, die später in das Amt für missionarische Dienste überging. Im Rahmen seiner Tätigkeit unternahm er zahlreiche Auslandsreisen und hatte eine herausgehobene Stellung innerhalb der missionarischen Bewegung der Landeskirche Hannovers und auch darüber hinaus. 1977 gründete er die Bruderschaft „Kleine Brüder vom Kreuz e. V.“, deren geistliches Zentrum Hof Beutzen 3 in der Nähe von Hermannsburg in der Lüneburger Heide gewesen ist. 2011 ging aus der Bruderschaft die Evangelische Geschwisterschaft hervor. Wie die Bruderschaft ist auch die Geschwisterschaft als deren Nachfolgerin ein eigenständiger Verein, der nicht in Trägerschaft der Landeskirche steht.

1 Bericht der „Aufarbeitungskommission der Evangelischen Geschwisterschaft e.V.“, S. 48

2 Anders als in der ursprünglichen Fassung der Pressemitteilung vom 18.02.2022 angegeben, war Klaus Vollmer von 1968 bis 1972 nicht für die Hermannsburger Mission tätig. Er kam als Pfarrvikar 1968 nach Hermannsburg und arbeitete dort für die Volksmission. Wir haben den Text der Pressemitteilung am 24.02.2022 entsprechend verändert.

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Hannover, den 18. Februar 2022

Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann,
Pressesprecher
der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers
Rote Reihe 6
30169 Hannover
Telefon: 0511 - 1241 399
Mobil: 0172 - 2398461
E-Mail: Benjamin.Simon-Hinkelmann@evlka.de
www.landeskirche-hannovers.de 

Weitere Informationen

  • Der Bericht der Aufarbeitungskommission der Geschwister kann hier heruntergeladen werden.
  • Informationen zur Evangelischen Geschwisterschaft gibt es hier.