Diskussion um Schwarzfahren – Diakonie hebt Erfolg der Straffälligenhilfe bei Haftvermeidung hervor
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Hannover. Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) begrüßt die aktuellen Beratungen des Bundestags-Rechtsausschusses zum sogenannten Schwarzfahren. „Es ist in jedem Fall eine Diskussion wert, die Strafbarkeit des Fahrens ohne Fahrschein in eine Ordnungswidrigkeit umzuwandeln“, sagte Wahlmann am Mittwoch auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes. Einem vollständigen Verzicht auf Sanktionen gegenüber Schwarzfahrern erteilte die Ministerin aber eine Absage. Dadurch würden rechtsfreie Räume geschaffen, die eine deutliche Zunahme der Fälle erwarten ließen.
Hintergrund der aktuellen Debatte ist ein Gesetzentwurf der Linken-Fraktion im Bundestag. Er sieht vor, den Straftatbestand des Paragrafen 265a StGB („Beförderungserschleichung“) zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Die in dem Paragrafen enthaltene Strafandrohung sei nicht verhältnismäßig, argumentiert die Linke. Zudem treffe sie oftmals Menschen aus prekären Verhältnissen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen müssten, weil sie die ihnen aufgebürdeten Geldstrafen nicht begleichen können. Jährlich säßen deshalb deutschlandweit rund 7.000 Schwarzfahrer in Haft. Am Montag hatte sich eine Reihe von Sachverständigen vor dem Rechtsausschuss für eine weitgehende Entkriminalisierung des Schwarzfahrens ausgesprochen.
Wahlmann unterstrich, Ersatzfreiheitsstrafen seien grundsätzlich nicht wünschenswert, da sie nicht dem eigentlichen Gerichtsurteil entsprächen. Die Herabstufung des Schwarzfahrens schaffe dieses Problem jedoch nicht vollends aus der Welt, da auch dann als „letztes Mittel“ eine Erzwingungshaft verhängt werden könne. Deshalb sei es entscheidend, genauer zu betrachten, was die Betroffenen davon abhalte, die Geldstrafe zu begleichen.
Auf diese Weise könne Ersatzfreiheitsstrafen gezielt vorgebeugt werden. Wahlmann verwies auf drei bereits existierende Programme, die dies leisten sollen. Zum einen biete die „Geldverwaltung statt Freiheitsstrafe“ Betroffenen Unterstützung, etwa bei Schriftwechseln und Vereinbarungen über tragbare Ratenzahlungen. Zum anderen könne im Programm „Schwitzen statt Sitzen“ die Ersatzfreiheitsstrafe durch einen gemeinnützigen Arbeitseinsatz abgewendet werden. Schließlich würden Justiz-Sozialarbeiter in die Geldstrafen-Vollstreckung eingebunden, um insbesondere mit überforderten Betroffenen nach guten Lösungen zu suchen.
Der Vorstandssprecher der Diakonie Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, sagte, die Diakonie setze sich schon lange dafür ein, Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Er hob die hohe Erfolgsquote der Anlaufstellen für Straffälligenhilfe hervor, die Betroffenen im Rahmen der „Geldverwaltung statt Freiheitsstrafe“ dabei unterstützen, Geldstrafen strukturiert abzubezahlen. „90 Prozent der Personen, die das Angebot wahrnehmen, schließen die Maßnahme erfolgreich ab. Dadurch werden sie vor einer Inhaftierung und ihren negativen Auswirkungen bewahrt“, betonte Lenke. Damit armutsbedingte Straftaten nicht vermehrt zu Inhaftierungen führten, sei eine langfristige finanzielle Absicherung der Straffälligenhilfe unerlässlich.