Protestantische Gemeinschaft diskutiert über die Praxis des Abendmahls
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Über die Praxis und Theologie des Abendmahls haben in den vergangenen Tagen 40 Theologinnen und Theologen der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) im Hildesheimer Michaeliskloster diskutiert. Sie folgten damit einem Auftrag der Generalversammlung von 2018 in Basel unter der Leitfrage: Wie können wir einladend Kirche im 21. Jh sein? Organisiert hat die Tagung der GEKE-Liturgiebeauftragte und Leiter des Michaelisklosters, Prof. Dr. Jochen Arnold. „Wie feiern Evangelische Christen in Europa Abendmahl? Was ist ihnen theologisch besonders wichtig? Sind getaufte Kinder zum Abendmahl zugelassen oder erst Konfirmierte? Gibt es eine digitale Praxis?“, fasst Arnold einige der Fragen zusammen, die die Kirchen in einer Umfrage zur Abendmahlspraxis im Vorfeld beantworten sollten. Die GEKE schließt fast alle lutherischen, reformierten, unierten und methodistischen Kirchen Europas ein.
Die Praxis der Einladung zum Abendmahl, so Arnold, gehe bisweilen weit auseinander: Die große Mehrheit der vertretenen Kirchen setzt - in ökumenischer Übereinstimmung mit den orientalischen, den orthodoxen, den katholischen und den anglikanischen Kirchen - die Taufe bzw. die Konfirmation für die Teilnahme am Abendmahl voraus. In einigen der vertretenen Kirchen gilt beim Abendmahl eine Einladung an alle, zum Beispiel bei einigen methodistischen Kirchen der ,open table', der ,offene Tisch', eine Einladung an alle.“
Zunächst führte Arnold in die vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD aufbereitete Umfrage, die im Jahr 2021 an alle Kirchen versandt worden war, ein. In vielen Punkten zeigte sich dort ein Unterschied zwischen lutherischen und reformierten Ansichten, etwa ob die Liturgie nur gesprochen (ref.) oder auch gesungen (luth.) wird. Reformierten ist besonders das Christusgedächtnis wichtig, lutherischen Kirchen mehr die Christusgegenwart. Beide treffen sich beim Top-Thema Gemeinschaft. Gemeinschaft ist immer zugleich die Gemeinschaft mit Christus, die Gemeinschaft derer, die Abendmahl feiern und in diesem Sinne verbindend auch die Gemeinschaft protestantischer Kirchen in Europa.
Diese Gemeinschaft feiern am übernächsten Sonntag viele Protestanten mit einem Gottesdienst: Vor 50 Jahren wurde die „Leuenberger Konkordie“, das Gründungsdokument der GEKE unterzeichnet: „Damit sollten Jahrhunderte der innerprotestantischen unterschiedlichen Lehre überwunden werden“, sagte etwa der Generalsekretär der GEKE, Dr. Mario Fischer. „Die Lehrdifferenzen der Reformation liegen hinter uns.“
Agnes von Kirchbach, Pfarrerin der Vereinigten protestantischen Kirche in Frankreich, berichtete von ihren Erfahrungen in einem Pariser Vorort. Sie weise niemanden ab: „Kommunion ist wichtiger als Wissen.“ Aus ihrer Sicht beginne die Einladung vor dem Abendmahl: „Wir müssen eine einladende Kirche sein.“
Darüber sprachen dann die Vertreter*innen der protestantischen Kirchen zwei Tage lang in unterschiedlichen Gruppen im Michaeliskloster, dem Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Heftig diskutiert wurde etwa, ob Ungetaufte zum Abendmahl eingeladen werden dürften, die Frage von Kinderabendmahl – und ob und inwieweit das theologische Verständnis und die alltäglich Praxis nicht häufig auseinanderlägen.
Höhepunkt der Tagung war ein festliches gemeinsames Tischabendmahl innerhalb eines landeskirchlichen Abends, bei dem auch Regionalbischöfin Dr. Ruck-Schröder sowie die landeskirchlich für Gottesdienst und Ökumene zuständigen OKR Prof. Dr. Julia Helmke und OKR Dirk Stelter sprachen. Die Teilnehmenden beauftragten am Ende eine Studiengruppe unter Leitung von Prof. Dr. Arnold, das Impulspapier zum Abendmahl, das im Sommer der GEKE-Generalversammlung vorgelegt werden soll, zu finalisieren und konkrete Empfehlungen für einladende und inklusive Feierformen auszuformulieren sowie liturgische Bausteine einzufügen.
Prof. Dr. Jochen Arnold und leitet das Michaeliskloster, das Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik der Evanglischen lutherischen Landeskirche Hannovers. Bei der GEKE engagiert sich der evangelische Theologe und Kirchenmusiker Beauftragter für Liturgie-Fragen.
Wofür steht die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE)?
Arnold: Inzwischen sind weit mehr als 100 unterschiedliche Kirchen aus Europa beigetreten. Darunter viele deutsche Landeskirchen und die Dachverbände „Vereinigte Evangelisch-lutherische Kirche Deutschlands“ und „Union Evangelischer Kirchen“, aber etwa auch die reformiert geprägten Schweizer Kantonatskirchen.
Was bedeutet es, eine einladende Kirche zu sein?
Arnold: Diskussionsthemen sind Praxis und Theologie des Abendmahls, dazu gehört auch die Verwendung gerechter bzw. Leichter Sprache, die Musik und all das, was in der Corona-Zeit an Neuem passiert ist. Es geht nicht um die Verabschiedung einer starren Liturgie. Wir fragen: Wie können wir eine „einladende Kirche“ sein, eben auch zum Abendmahl. Ich freue mich auf unseren Gottesdienst am Donnerstag, der genau das erlebbar machen soll und alles unter dem Motto bündelt: „In Christ there is no east nor west“.
Ich bin super gespannt auf die Reaktion und Diskussion unseres Papiers. Daraus wird dann in Gruppen eine Empfehlung für die Beschlussvorlage erstellt, die dann der Generalversammlung 2024 in Sibiu zur Abstimmung vorgelegt wird.
Wichtig in diesem Prozess ist, dass wir nicht die Lehre, sondern die Praxis untersucht haben. Also den „Stein des Anstoßes“ selbst. Und das abzugleichen zwischen Theologie und gottesdienstlicher Praxis, haben wir in einer Umfrage 2020 und 2021 erhoben.
Was muss innerprotestantisch noch beim Abendmahl geklärt werden?
Arnold: Seit den 70er-Jahren gibt es als Ergebnis eines Lehrgesprächs und der Leuenberger Vereinbarung eine Abendmahlsgemeinschaft evangelischer Kirchen, zwischen Lutheranern und Reformierten. Was uns vor 450 oder 500 Jahren noch unterschieden hat, z.B. das berühmte EST (Luther) oder SIGNIFICAT (Zwingli) ist kein Trennungsgrund mehr. Wir haben uns auf die Formel der Personalpräsenz geeinigt. Christus ist gegenwärtig und vergibt uns. Das, was wir mit der katholischen Kirche noch schmerzhaft vermissen. Was uns weiterhin unterscheidet ist die etwa die Einladungspraxis (Zulassung).
Worum ging es inhaltlich bei dieser Tagung und was sind die weiteren Schritte?
Arnold: Wie werden Dinge in der Praxis geregelt, sind Kinder zum Abendmahl zugelassen oder Konfirmierte? Die Praxis der Einladung zum Abendmahl geht sehr weit auseinander. Bei den Methodisten (und zahlreichen Reformierten) gilt der „open table“, der offene Tisch – da wird nicht vorher gefragt.
Ziel ist keine Einheitsliturgie, aber gemeinsam als Kirche nach außen aufzutreten, dass wir uns in eine gemeinsame (einladende) Richtung bewegen. Dafür werden wir konkrete Empfehlungen für einladende und inklusive Feierformen erarbeiten und liturgische Bausteine einfügen. Das soll dann der Generalversammlung der GEKE im Sommer vorgelegt werden.
In der Pandemie wurde zahlreiche Gottesdienste ins Digitale verlegt. Sind diese digitalen Abendmahle denn „gültig“?
Arnold: Digitale Formate werden noch unterschiedlich gesehen. Knapp die Hälfte aller Kirchen hat Erfahrungen mit dem digitalen Abendmahl und möchte diese auch weiterhin anbieten. Für nahezu alle sind die Einsetzungsworte unverzichtbar. „Das ist mein Leib, der für Euch gegeben wird“, sind entscheidende Worte, an denen die Gegenwart und die Zusage Christi festgemacht wird. Ganz gleich, wie wir diese Worte verstehen, an dieser Stelle gibt es eine Übereinstimmung von 94 Prozent.