Startseite Archiv Nachricht vom 09. Februar 2023

Ein Jahr Krieg in der Ukraine: „Solidarität ist historisch“

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Berlin. Knapp ein Jahr nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben Diakonie Katastrophenhilfe, Brot für die Welt und Diakonie Deutschland heute gemeinsam Bilanz gezogen. „Die Solidarität und Spendenbereitschaft in Deutschland haben Hilfsmaßnahmen ermöglicht, die vom Umfang und Tempo historisch sind“, sagte Dagmar Pruin, Präsidentin von Diakonie Katastrophenhilfe und Brot für die Welt. Sie appellierte, diplomatische Wege für ein Ende des Krieges nicht aus dem Blick zu verlieren. Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, dankte den vielen engagierten Menschen in Deutschland, welche die Aufnahme von rund einer Million Geflüchteter möglich gemacht haben. Er warnte jedoch, dass das Ehrenamt vielerorts an seine Kapazitätsgrenzen stoße und die Hilfe weiter professionalisiert werden müsse.

„Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Wir alle brauchen einen langen Atem“, sagte Dagmar Pruin auf der heutigen Pressekonferenz in Berlin. Sie dankte den Spenderinnen und Spendern für knapp 68 Millionen Euro, welche die Diakonie Katastrophenhilfe für die Ukraine-Nothilfe bisher erhalten hat. Zwei Drittel davon waren Ende Januar bereits für 30 Nothilfeprojekte in zwölf Ländern ausgegeben oder weitere Maßnahmen eingeplant worden. „Diese schnelle und umfangreiche Hilfe in der Ukraine, den Anrainerstaaten und auch in Deutschland ist durch die langjährige Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen und kirchlichen Netzwerken möglich“, unterstrich Pruin.

Mehr als 600.000 Menschen wurden bisher erreicht. Betroffene des Krieges erhalten unter anderem Geldleistungen und Gutscheine, psychosoziale Unterstützung oder Hilfsgüter wie Nahrungsmittel oder Hygieneartikel. „Schon viele Jahre vor dem Angriff Russlands am 24. Februar haben Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe mit lokalen Partnern zusammengearbeitet und zivilgesellschaftliche Strukturen gestärkt. Das hat sich jetzt bewährt, denn es sind unsere lokalen Partner, welche die Menschen weit im Osten der Ukraine heute erreichen können.“

Es sei wichtig, einen langandauernden Krieg zu vermeiden: „Der Solidarität und dem Durchhaltewillen der ukrainischen Bevölkerung gebührt meine allerhöchste Anerkennung. Diese Kraft ist jedoch endlich und wir müssen alles tun, damit die Bevölkerung geschützt wird“, sagte Pruin. Hilfe werde deshalb geleistet, solange sie nötig sei.

Ulrich Lilie dankte den ehren- und hauptamtlich Helfenden in Deutschland. „Die Aufnahme, Versorgung und Unterbringung von rund einer Million Geflüchteter war ein enormer Kraftakt, der gelungen ist“, so Lilie. Zehn Millionen Euro aus einem Nothilfefonds der Diakonie Katastrophenhilfe haben dabei dringende Unterstützung unkompliziert und schnell ermöglicht. Insgesamt konnten mehr als 245 Projekte in Deutschland aufgesetzt werden, in denen Geflüchtete Beratung erhalten, bei Behördengängen unterstützt werden oder Deutschkurse wahrnehmen können.
Nach den ersten Wochen der spontanen Hilfe an Bahnhöfen oder in Stadtzentren sind professionelle Strukturen entstanden. Diese Professionalisierung und weitere Unterstützung seien wichtig, denn auch bei vielen Beratungsstellen in der Wohlfahrtspflege und bei Ehrenamtlichen seien Kapazitätsgrenzen erreicht und Erschöpfung mache sich breit.

Lilie hob hervor, dass die Integration von Geflüchteten für die Geflüchteten selbst, aber auch für die Aufnahmegesellschaft wichtig sei. Sobald das Ankommen gelinge, insbesondere der Eintritt in die Erwerbstätigkeit, stelle die Aufnahme von Geflüchteten auch keine Belastung mehr für die Sozialsysteme dar. Hier liegt weiterhin die Hauptaufgabe. Geflüchtete benötigten von Anfang an Teilhabechancen: „Es braucht gute Startbedingungen, insbesondere Aufenthaltssicherheit, volle Sozialleistungen und ausreichende Beratungs- und Sprachkursangebote. Je früher geflüchteten Menschen ein alltägliches Leben und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird, desto höher sind die Chancen für eine nachhaltige Integration.“
 
In der Ukraine brauchen die Menschen aktuell vor allem Schutz vor der Kälte. „Die stetigen Angriffe auf zivile Infrastruktur unterbrechen die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung von Millionen Menschen“, berichtet Martin Keßler, Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, aus Sumy im Nordosten der Ukraine. Dort begleitet er unter anderem Verteilungen und besucht Wärmestuben. „Die Angriffe müssen dringend aufhören, damit die Unterkünfte der Menschen repariert werden können“, so Keßler.

Gemeinsame Pressemitteilung von Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und Diakonie Katastrophenhilfe
Martin Kessler (hinten Mitte), Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, und Mario Göb (hinten links), Programmkoordinator der Ukraine-Krise werden von der Mitarbeiterin einer Partnerorganisation über die Situation in Ivanivka, etwa zwei Autostunden nördlich von Kiew, informiert. Foto: Siegfried Modola/Diakonie Katastrophenhilfe
Martin Kessler (hinten Mitte), Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, und Mario Göb (hinten links), Programmkoordinator der Ukraine-Krise werden von der Mitarbeiterin einer Partnerorganisation über die Situation in Ivanivka, etwa zwei Autostunden nördlich von Kiew, informiert. Foto: Siegfried Modola/Diakonie Katastrophenhilfe