Startseite Archiv Nachricht vom 19. November 2022

"Rotkäppchen rettet den Wolf"

Kinderbuch statt Bibeltext, Bücherei statt Kirche – Landesbischof Ralf Meister hat beim bundesweiten Vorlesetag mitgemacht und Schülern aus der Comeniusschule in Hannover einen „märchenhaften“ Vormittag beschert.

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Hannover. Der Vorlesetag ist seit 2004 Deutschlands größtes Vorlesefest und vermittelt Kindern und Erwachsenen auf gemeinsame Initiative von der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und der Deutsche Bahn Stiftung alljährlich am dritten Freitag im November die Bedeutung des Vorlesens. Rund 600.000 kleine und große Menschen haben gestern beim Aktionstag mitgemacht, darunter viele Prominente wie die Moderatorin Maybrit Illner, Sportler Jens Lehmann oder Autor Paul Maar.

Landesbischof Ralf Meister ist als Vorsitzender des Evangelischen Literatur-Portals, dem Dachverband der evangelischen öffentlichen Büchereien, in Sachen Vorlesetag ein alter Hase. Kaum haben es sich die 47 Erst- und Viertklässler auf der Kissenlandschaft in der Kinder- und Jugendbücherei der evangelischen Lukaskirche gemütlich gemacht, kommen erste Fragen, die den kleinen Zuhörern auf der Seele brennen. „Was macht eigentlich ein Bischof?“ und „Darf ein Bischof überhaupt heiraten?“ Also erzählt Ralf Meister zunächst ein bisschen über sein Tun, dass er schon sehr, sehr lange verheiratet ist und längst nicht so gut vorlesen könnte, wenn er nicht selbst drei Kinder hätte. Die seien aber mittlerweile erwachsen. Zwei Enkelinnen lauschen der Stimme des Großvaters dafür von Zeit zu Zeit. Demnächst bestimmt auch den Worten aus „Rotkäppchen rettet den Wolf – ein Nicht-Märchen“.

Für die Lektüreempfehlung seitens Nicole Schwarzer, Referentin für Bücherei- und Medienarbeit vom Haus Kirchlicher Dienste, konnte sich der Landesbischof schon vor Beginn der Lesestunde begeistern: „Ich habe schon ein bisschen geübt und der Titel gefällt mir - nur fällt mir Rotkäppchen laufend ins Wort“, erzählt Ralf Meister lachend. Und dann geht’s auch schon los. Aber können Grundschüler, die mit Conni, Sams und Harry Potter aufwachsen, denn mit dem Klassiker überhaupt noch etwas anfangen?

Landesbischof Ralf Meister beim Vorlesetag am 18.11.2022 in der Kinder- und Jugendbuecherei der ev.-luth. Lukaskirche in Hannover. Bild: Jens Schulze
Landesbischof Ralf Meister beim Vorlesetag am 18.11.2022 in der Kinder- und Jugendbuecherei der ev.-luth. Lukaskirche in Hannover. Bild: Jens Schulze

Ob Märchen oder Nicht-Märchen – die Originalfassung vom Rotkäppchen, so der Landesbischof, müssen Kinder nicht unbedingt kennen, um der Geschichte folgen zu können.

Das Kinderbuch dreht sich um die neunjährige Anna alias Rotkäppchen, die von den Märchen der Erwachsenen genervt ist. Und so beginnt das Nicht-Märchen statt mit „Es war einmal“ mit „Es ist“. Die Story ist die gleiche. Für Rotkäppchen geht’s in den Wald, um der Großmutter Kuchen zu bringen. Alles, was dann kommt, ist anders: Rotkäppchen ist selbstbewusst, frech und vorlaut. Die Großmutter ist nicht krank. Der Wald ist voller Müll - und der Wolf? Der ist menschenscheu und möchte Rotkäppchen nicht über den Weg laufen. Den Part des Bösewichts übernimmt stattdessen der Bürgermeister von Buchwalden an der Grimm, Wolfgang Wolf. Er will den Wald abholzen und dort ein Einkaufszentrum bauen. Rotkäppchen ist wild entschlossen, das zu verhindern und damit die Natur, die Wolfsfamilie und die anderen Tiere zu retten. Ein modernes Märchen also, das schon die kleinen Köpfe zum Nachdenken anregen soll.

Nicole Schwarzer beim Vorlesetag am 18.11.2022 in der Kinder- und Jugendbuecherei der ev.-luth. Lukaskirche in Hannover. Bild: Jens Schulze
Nicole Schwarzer beim Vorlesetag am 18.11.2022 in der Kinder- und Jugendbuecherei der ev.-luth. Lukaskirche in Hannover. Bild: Jens Schulze

Meister fesselt sein Publikum schnell, erzählt mit Gesten und perfekt imitierten Stimmen der Protagonisten im Buch und kann die Kinder für die Geschichte um Anna begeistern. Das Büchereiteam mit Sandra Hensing, Ute Senkowski und Barbara Stein unterstützt tatkräftig, hat Plakate vorbereitet, die das Gehörte bildlich darstellen. Und sie stellen zum besseren Verständnis zusammen mit Regionaldiakonin Elke Siegmund die Steckbriefe der einzelnen Figuren aus dem modernen Märchen vor.

Das kommt bei Lehrern und Kindern gut an. „Ich finde es großartig, dass sich Initiativen im Stadtteil verknüpfen und dabei so wunderbare Begegnungen wie diese Vorlesestunde herauskommen“, sagt Daniel Schüttlöffel, der die Erstklässler aus der „Flamingo-Klasse“ begleitet. Das Leseprinzip haben seine Schülerinnen und Schüler schon begriffen, jetzt gehe es darum, die Kinder für das Lesen zu begeistern. „Mir gefällt es hier und die Geschichte finde ich spannend“, sagt Milla. Auch Sarah besucht die erste Klasse und freut sich darauf, selbst lesen zu können. Bis dahin lauscht sie den Erwachsenen, „weil das Spaß macht!“

In den Vorlese-Genuss kommen die bücherbegeisterten Viertklässler von Anja Leue jeden Morgen. „Die Kinder machen Frühstückspause und ich lese vor“, erzählt sie lachend. „Aber heute ist ein besonderer Tag, da bin ich mit Zuhören dran.“

Tanja Niestroy/EMA
Die 47 Erst- und Viertklässler der Comeniusschule haben es sich auf der Kissenlandschaft in der Kinder- und Jugendbücherei der evangelischen Lukaskirche gemütlich gemacht. Bild: Jens Schulze
Die 47 Erst- und Viertklässler der Comeniusschule haben es sich auf der Kissenlandschaft in der Kinder- und Jugendbücherei der evangelischen Lukaskirche gemütlich gemacht. Bild: Jens Schulze

Das evangelische Literaturportal (Eliport)

Das Evangelische Literaturportal ist der Dachverband der evangelischen öffentlichen Büchereien in Kirchengemeinden und Krankenhäusern in Deutschland. Über die Fachstellen und Landesverbände in zehn Landeskirchen und durch Einzelmitgliedschaften in sechs Landeskirchen werden ca. 800 Büchereien betreut. Der Verband wird geleitet von einem ehrenamtlichen Vorstand, der die Arbeit der Geschäftsstelle in Göttingen begleitet und von der Mitgliederversammlung gewählt wird.

Bücher lesen, beurteilen und sie anderen Lesern empfehlen - das ist das Kernstück evangelischer Büchereiarbeit und die zentrale Aufgabe des Evangelischen Literaturportals. Mit Rezensionen des Monats und dem wöchentlich wechselndem aktuellen Buchtipp eliport auf besondere Bücher hin.

Die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Der Evangelische Buchberater wird durch vier monatliche Newsletter ergänzt: der Bücherei-Newsletter, der Gemeinde-Newsletter, der Hörbuch-Newsletter und der Kita-Newsletter. Alle Publikationen erschließen den aktuellen Buchmarkt für einen großen Nutzerkreis, für Bibliotheken und Gemeinden, Kindertagesstätten und Schulen, Familien, Eltern und interessierte Leserinnen und Leser.

Das Evangelische Literaturportal vergibt jährlich den Evangelischen Buchpreis. Im Januar 2011 startete das Evangelische Literaturportal mit dem Projekt „Willkommen in Gottes Welt“.  Seit dem Frühling 2014 ist das zweite Projekt "Lesen in Gottes Welt" hinzu gekommen.

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