Eltern und Kinder im Dauerkrisenmodus?
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„Krisenkinder, Chancenjugendliche? Erziehungspartnerschaften in herausfordernden Zeiten“ – so war die Konferenz für Elternvertreter*innen Niedersachsens des Religionspädagogischen Instituts Loccum (RPI) überschrieben. Corona, Klimawandel, Krieg: Befinden sich Kinder und Jugendliche im Dauerkrisenmodus? So formulierte es Dr. Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildung und Sozialökonomie Berlin in seinem Vortrag. Oder kann in der Krise ausgerechnet im Verzicht auch Hoffnung liegen? An diesem Gedanken ließ Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track die rund 80 Teilnehmer*innen teilhaben.
Gäfgen-Track meinte damit keineswegs Verzicht im Bildungssystem. Aber warum müsse man mit Geländewagen durch die Stadt fahren? Warum innerhalb Londons und auf anderen Kurzstrecken mit Privatjets fliegen? Gleichwohl gebe es bei vielen Themen kein einfaches Richtig oder Falsch mehr, gab sie zu bedenken. Es sei gut, wenn der Absatz von Schweinefleisch sinke. Auf der anderen Seite gefährde die Entwicklung bäuerliche Existenzen. Oder das Distanzlernen während der Pandemie: für den Infektionsschutz sei es gut gewesen, für die emotionale-soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen schlecht, sagte die Leiterin der Bildungsabteilung im Landeskirchenamt in Hannover.
Vor allem beim Thema Klimawandel erlebe sie Schüler*innen viel sensibler als manche Erwachsene. „Aber der Klimawandel ist nicht fake news, die Augen davor zu verschließen, ist grob fahrlässig.“ Vor diesem Hintergrund sei auch der Vorstoß der EKD-Synode zu verstehen, kirchliche Beschäftigte mögen bei Dienstfahrten auf Autobahnen maximal 100 und auf Landstraßen maximal 80 fahren. „Dann heißt es wieder: Die evangelische Kirche ist eine Spaßbremse“, sagte Gäfgen-Track. Tatsächlich sei es der falsche Weg, wenn die Kirche anderen vorschreiben wolle, was richtig sei. „Die Leute müssen selbst die Einsicht haben, dass Tempo 100 gut für ihre Kinder ist.“
Sie sei einmal von einem Schüler öffentlich gefragt worden: „Was haben Sie im vergangenen Jahr eigentlich getan, um Ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern?“ Diese Frage beschäftige sie immer wieder und habe sie manche Verhaltensweisen überdenken lassen. Doch oft fühlten sich junge Menschen von der Politik oder anderen Verantwortlichen nicht gehört. In Göttingen habe das dazu geführt, dass Jugendliche zwei Schulen besetzt hätten, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, berichteten mehrere Eltern. Gäfgen-Track zeigte sich verständnisvoll für die Aktion: „Sie wissen keinen anderen Weg. Es ist Ausdruck der Verzweiflung Jugendlicher, für die der Klimawandel Realität ist und die erleben müssen, wie halbherzig dagegen vorgegangen wird.“ Wie die Eltern berichteten, gingen die betroffenen Schulleitungen konstruktiv mit der Situation um und ließen den Schüler*innen Raum zum Gespräch. Auch das lasse hoffen. „Vor allem aber liegt Hoffnung in dem vielfältigen und kreativen Engagement von Kindern und Jugendlichen, die sich nicht lähmen lassen, sondern anpacken, da wo es konkret für sie möglich ist.“
PD Dr. Silke Leonhard und Bettina Wittmann-Stasch vom RPI Loccum, die diese Tagung verantworteten, setzen ebenfalls Hoffnungen auf die Schule: „Die Studie von Dohmen und Hurrelmann hat bestätigt, dass die Belastungen von Kindern und Jugendlichen in dieser Krisenzeit gewachsen sind und deren Lebenssituation verschlechtern. Chancen liegen aber in der Schule: Gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche gesehen werden und Demokratie ebenso wie Schule selbst mitgestalten können, bleibt uns daher ein wichtiges Anliegen.“
Lothar Veit / RPI Loccum