Digitales Haus der Seelsorge und Beratung: Interview mit Pastor Achim Blackstein
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Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen enormen Schub gegeben und uns ins Bewusstsein gerückt, wie wichtig das Miteinanderreden für das menschliche Zusammenleben ist. Eine starke Nachfrage verspürt die Seelsorge in Kirchengemeinden und Beratungsstellen.
Das Zentrum für Seelsorge und Beratung der Landeskirche geht deshalb Ende des Jahres mit dem DigiHaus online. Die virtuellen Räume bieten Kirche, Seelesorgern und Beratenden die nötige Infrastruktur, um mit ratsuchenden Klienten via Chat, E-Mail oder Video ins Gespräch zu kommen. Pastor Achim Blackstein, landeskirchlicher Beauftragter für Digitale Seelsorge und Beratung, hat das Projekt „Hausbau“ von Beginn an begleitet.
Herr Blackstein, der Grundstein für das „Digitale Haus der Seelsorge und Beratung“ ist gelegt. Ende des Jahres soll das DigiHaus online gehen. Was versprechen Sie sich von dem Angebot und wen sprechen Sie mit dieser modernen Form der Lebenshilfe an?
Blackstein: Zuerst verspreche ich mir, dass die Seelsorge und Beratung der Kirchen weiter nach vorne getragen wird. Seelsorge muss einen prominenteren Platz bekommen, sich modern und leicht zugänglich präsentieren, damit die Menschen Lust bekommen, in die Kommunikation einzusteigen. Gerade in der digitalen Seelsorge, in der man sich nicht gegenübersitzt, kommen schambehaftete Themen häufiger auf den Tisch. Viele Klienten, die Probleme mit Drogen, Schulden, Missbrauch oder Suizidgedanken – in der Kindheit oder in der aktuellen Situation – haben, mögen im Präsenz-Gespräch nicht unbedingt darüber reden. Die Hemmschwelle sinkt jedoch, wenn man stattdessen die Möglichkeit hat, eine Mail zu schreiben oder einen Chat zu eröffnen.
Die Telefonseelsorge zählt bisher wohl zu den bekanntesten Angeboten, die leicht zu erreichen und anonym in Anspruch genommen werden können. Auch mit der E-Mail- und Chatseelsorge konnte in den vergangenen Jahren vielen Menschen geholfen werden. In welcher Form kommen die Klienten auf den verschiedenen Etagen des DigiHauses mit den Seelsorgenden zusammen?
Blackstein: Ratsuchende finden das ihnen passende Angebot entweder über eine ausgeklügelte Suchmaske auf unserem Portal. Oder über einen so genannten Dezentralen Zugang auf der jeweiligen Webseite teilnehmender Seelsorger oder Berater, also beispielsweise der Kirchengemeinden und Beratungsstellen. So finden sie schnell ein offenes Ohr und ein passgenaues Beratungsangebot. Und weil die Seelsorger und Berater mit Namen zu erkennen sind, wissen die anonymen Ratsuchenden, mit wem sie es tun haben.
Sind im Digitalen Haus rund um die Uhr Gesprächspartner online?
Blackstein: Wir hoffen, dass wir ein sehr umfangreiches Angebot darstellen können und wenn nicht in Person, dann zumindest in Form von Artikeln oder Videos.
Wie stellen sich die Beratenden auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen ein, um sie dort abzuholen, wo sie mit ihren Sorgen und Problemen stehen? Kann das online überhaupt funktionieren?
Blackstein: Das funktioniert online oftmals besser als in Präsenz. Die Seelsorger und Berater können sich auf ihre Klienten einstellen, weil sie gelernt haben, die richtigen Fragen zu stellen. Dennoch werden sich die Anbieter schulen lassen, um sich auf die Begebenheiten in der digitalen Welt einzustellen. Die Kommunikation über Chat oder E Mail ist nicht weniger, sondern manchmal sogar persönlicher, als wenn man sich gegenüber sitzt.
Was passiert, wenn Dinge beim Beratenden anders ankommen, als sie gemeint sind? Schließlich kennen sich die Gesprächspartner ja nicht persönlich. Emojis könnten leicht missverstanden werden, Ironie funktioniert geschrieben vielleicht nicht – und was ist mit den Menschen, die eigentlich überhaupt nicht gern schreiben?
Blackstein: Die Kommunikation läuft nicht anders als im persönlichen Gespräch. Auch online kann man schnell eine vertrauliche Basis schaffen. Und mit dem nötigen Gespür lässt sich zwischen den Zeilen lesen.
Ja, und wer nicht gern schreibt, für den gibt es etliche andere Angebote. Wir merken aber, dass sich viele Menschen ihre Probleme gern von der Seele schreiben und eine E-Mail manchmal schon ein guter Weg ist, sich und seine Gedanken zu sortieren. Wenn das Geschriebene dann nochmal gemeinsam reflektiert wird, ist es vielleicht schon genug. Unser Ansatz ist ja auch, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und die Menschen mit sich selbst in Kontakt zu bringen.
Wie wichtig ist es heute, dass Seelsorgende und Ratsuchende über das Smartphone miteinander kommunizieren können? Wie können Sie als Anbieter die Datensicherheit gewährleisten?
Blackstein: Die mobile Kommunikation ist für die meisten Menschen unheimlich wichtig, das Smartphone ist ja praktisch die Nabelschnur zur Welt geworden.
Die barrierefreie Gestaltung des Auftritts soll den Charakter des digitalen Hauses als Ort der Gemeinschaft und Sicherheit widerspiegeln, ganz so, wie es für die Seelsorge wichtig ist. Dafür arbeiten wir natürlich konform zum EKD-Datenschutzgesetz.
Um Ihr Seelsorgeangebot zu erweitern, wollen Sie künftig verschiedene Anbieter von Seelsorge und Beratung auch über die Landeskirche hinaus mit einbinden. Wer kann sich einbringen und welche Voraussetzungen müssen beteiligte Seelsorger und Seelsorgerinnen mitbringen?
Blackstein: Wir hoffen, dass sich so viele Kirchengemeinden und Beratungsstellen wie möglich für das DigiHaus anmelden. Aber auch andere Anbieter für Schul- oder Klinikseelsorge können dabei sein und die angebotene digitale Infrastruktur für ihre Seelsorge und Beratung nutzen. Das Internet kennt schließlich keine Grenzen und unser Projekt wird auch von der EKD mitfinanziert. Wir freuen uns über Interessierte aus allen Landeskirchen.
Die Voraussetzung sind vor allem Lust an der Arbeit im digitalen Raum und die Bereitschaft, sich auf die besonderen Bedingungen dort einzulassen. Eine Ausbildung zur Digitalen Seelsorge, die wir im Zentrum für Seelsorge und Beratung der Landeskirche anbieten werden, ist da besonders hilfreich. Informationen zum DigiHaus gibt es schon jetzt im Internet unter http://www.digihaus.online.
EMA / Tanja Niestroj