Startseite Archiv Nachricht vom 19. Mai 2022

Pilgerpastorin: "Gehen Sie einfach los!"

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Hannover. Aus Sicht der Pilgerpastorin Annette Lehmann sind beim Pilgern die Ereignisse auf dem Weg wichtiger als das Ziel. „Gehen Sie einfach los!“, empfiehlt die Referentin für Pilgern im Haus kirchlicher Dienste in Hannover Pilgerinteressierten. Beim Pilgern gehe es um die Begegnung mit anderen Menschen, sich selbst und Gott, sagte Lehmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der „Pilger-Boom“ halte trotz Corona an, betonte Lehmann, die Pilgerbegleitende ausbildet und theologische Fragen zum Pilgern bearbeitet. So hätten viele Menschen während der Pandemie das Pilgern vor der Haustür und im Inland entdeckt. Solche Touren seien nicht vorbereitungsintensiv, zudem seien die Strecken weniger überlaufen.

Neben dem Pilgern zu Fuß werden laut Lehmann auch Touren mit dem Fahrrad oder Kajak immer beliebter. Oldtimer- und Motorradpilgern seien dagegen „ökologisch nicht ideal“. Die Frage, wie Menschen beim Pilgern mit der Schöpfung umgingen, stelle sich aber auch, wenn sie dafür zum Beispiel ins Ausland flögen.

Die evangelische Pastorin selbst ist nach eigenen Angaben bereits sowohl zu Fuß als auch per Fahrrad und Kajak gepilgert. Am liebsten pilgert sie mit Zelt und sucht erst vor Ort einen Schlafplatz. Dies sei selbst gelungen, als sie von Osnabrück nach Hannover mit zwei Ziegen unterwegs war. „Ich genieße diese Freiheit.“ Schon nach ihrem Abitur sei sie mit dem Fahrrad allein durch Norddeutschland gefahren, habe oft an Kirchen haltgemacht und sich spontan Unterkünfte gesucht, sagte sie. „Da habe ich das nur noch nicht Pilgern genannt.“

Zwar gebe es an ausgewiesenen Strecken meist auch die passende Infrastruktur wie Kirchen und Herbergen. Aber ein Verständnis, demzufolge nur ein bestimmter Weg oder Ort göttliches Heil hervorbringe, sei „vorreformatorisch“, fügte die Pilgerpastorin hinzu. Nachdem Martin Luther das Pilgern etwa als „Narrenwerk“ bezeichnet habe, ringe die evangelische Kirche heute um einen offenen Pilgerbegriff, der nicht von Erschöpfung oder Blasen an den Füßen abhänge. „Meinem Gott muss ich nicht durch Schmerz näherkommen“, sagte Lehmann.

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Die zertifizierten Pilgerbegleiterinnen Annette Schaar- Becker und Silke Becker bereiten eine geführte Etappe auf dem Pilgerweg von Loccum nach Volkenroda vor. Foto: Harald Koch (epd-Bild)

Zahlreiche Kirchengemeinden und -einrichtungen bieten überall in Niedersachsen und Bremen geführte Pilgertouren an - in der Stadt und auf dem Land. Insgesamt 16 individuell begehbare Pilgerwege aus beiden Bundesländern haben sich im „Ökumenischen Netzwerk der Pilgerwege in Niedersachsen“ zusammengeschlossen. Sie sind weitgehend verlässlich ausgeschildert, verfügen über eigene Internetauftritte und sind jeweils mehr als 40 Kilometer lang.

Quer durch beide Bundesländer führt die Via Baltica - einer von vielen Wegen im weltbekannten, europaweiten Jakobswegenetz. Der Pilgerweg führt von der Ostseeinsel Usedom aus über Bremen bis Osnabrück. Auch die beiden Radpilgerwege im Ökumenischen Netzwerk verbinden Niedersachsen und Bremen: Der Pilgerweg Ochtum, Marsch und Moor verläuft im Westen der Ländergrenze. Der Mönchsweg führt von Bremen aus auf 530 Kilometern durch das nördliche Niedersachsen bis auf die Ostseeinsel Fehmarn.

Als weitere Variante des Jakobswegs führt die Via Scandinavica mit Ausgangspunkten in skandinavischen Ländern und auf der Ostseeinsel Fehmarn durch Ostniedersachsen nach Celle, Hannover und Göttingen bis in die Lutherstadt Eisenach. Die Via Jutlandica beginnt im dänischen Pattburg und mündet in Harsefeld südlich von Stade in die Via Baltica. Auch der Braunschweiger Jakobsweg, der in Magdeburg startet und über Braunschweig und Hildesheim verläuft, geht in Höxter in einem weiteren Weg des Jakobswegenetzes auf.

Mit seinem östlichen Nachbarland Sachsen-Anhalt verbindet Niedersachsen darüber hinaus der Harzer Klosterwanderweg. Bis nach Thüringen führt der Pilgerweg Loccum-Volkenroda, von dem aus wiederum die Via Porta beginnt. Wer auf einem Weg durch alle drei Bundesländer und schließlich bis nach Rom pilgern möchte, kann das auf der Via Romea Germanica tun: Sie beginnt in Stade und verläuft über Soltau, Celle und Braunschweig und den Harz, schließlich durch Bayern und Österreich bis zum Vatikan.

Der Jacobusweg Lüneburger Heide verbindet Niedersachsen mit Hamburg, der Sigwardsweg Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Drei kürzere Pilgerwege gibt es schließlich im Westen Niedersachsens: den Hümmlinger Pilgerweg im Emsland sowie die Schola Dei und den Wangerländischen Pilgerweg nahe der Nordseeküste.

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen