EKD-Kirchenkonferenz nimmt Stellung zum Krieg in der Ukraine
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Hannover. Die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich in ihrer heute (24. März) beendeten zweitägigen Sitzung ausführlich mit dem Krieg befasst, den der russische Staatspräsident gegen die Ukraine begonnen hat. In einer einstimmig verabschiedeten Stellungnahme bekräftigt die Kirchenkonferenz, der alle leitenden Geistlichen (Bischöfinnen und Bischöfe) und leitenden Juristinnen und Juristen der 20 evangelischen Landeskirchen angehören, ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und verurteilt den völkerrechtswidrigen Krieg und dankt für die Spendenbereitschaft in Deutschland.
„Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben. Das letzte Wort hat der Frieden. Christus ist unser Friede“, so die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Annette Kurschus, die das Gremium leitet. Zwar sei Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt herzustellen. Dem bleibenden Wunsch nach Gewaltfreiheit stehe angesichts eines Aggressors, der Völkerrecht missachte und Kriegsverbrechen begehe, aber auch die Option gegenüber, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. „Das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine im Blick auf die gegen sie gerichteten Aggressionen ist unbestritten.“
In der Stellungnahme ruft die Kirchenkonferenz dazu auf, geflüchtete Menschen aufzunehmen und keine Spaltung zwischen verschiedenen Gruppen von Geflüchteten entstehen zu lassen. Ausdrücklich würdigt die Stellungnahme den Mut vieler orthodoxer Priester in Russland, die sich gegen den Krieg und die Position Ihrer Kirchenleitung geäußert haben. „Umso wichtiger ist es uns, einer pauschalen Wahrnehmung der russischen Orthodoxie und deren Einordnung in ein uniformes Feindbild von Russland entschieden entgegenzuwirken“, heißt es in dem Text. An die Bundesregierung appelliert die Kirchenkonferenz, angesichts der Auswirkungen des Krieges auf den globalen Getreidemarkt von der beabsichtigten Kürzung der Mittel für Entwicklungshilfe abzusehen.
Die Stellungnahme im Wortlaut:
Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Matthäusevangelium Kapitel 5, Vers 9
Wir sprechen allen Menschen, die in der Ukraine und angrenzenden Ländern von der unfassbaren Gewalt des vom russischen Staatspräsidenten begonnenen Krieges betroffen sind, unsere Achtung und unser tiefes Mitgefühl aus. Dass Menschen – Soldaten wie Zivilbevölkerung – für politische und militärische Ziele instrumentalisiert, verletzt und getötet werden, verurteilen wir auf das Schärfste. Wir bewundern den Mut der ukrainischen Zivilgesellschaft und nehmen ihn angesichts unserer komfortablen Situation in Deutschland mit einem Gefühl der Beschämung zur Kenntnis. Mit Respekt und voller Dankbarkeit blicken wir auf die große Hilfsbereitschaft, die sich in der Ukraine, den angrenzenden Ländern und auch bei uns in Deutschland zeigt. Wir werden alles in unserer Möglichkeit Stehende tun, um die Menschen in der Ukraine und Geflüchtete zu unterstützen. Dazu zählt die Fürbitte genauso wie die Seelsorge an Traumatisierten, der Einsatz für besonders verletzliche Menschen und alle Unterstützung für diplomatische und nichtmilitärische Wege.
Auf der Grundlage des Evangeliums von Jesus Christus sind wir zutiefst davon überzeugt, dass Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt zu schaffen ist. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Ohne Vertrauen, Gerechtigkeit und persönliche Kontakte zwischen Menschen aller Völker ist Frieden nicht möglich. Dennoch sehen wir das Dilemma verschiedener Optionen zwischen dem grundsätzlichen Wunsch nach einer gewaltfreien Konfliktlösung und dem Impuls, angesichts eines Aggressors, der auf brutale Weise geltendes Völkerrecht missachtet und Kriegsverbrechen begeht, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. Unbestritten ist das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine im Blick auf die gegen sie gerichteten Aggressionen.
Wir rufen die russische Führung auf, die Gewalt zu beenden. Wir sehen mit ohnmächtigen Gefühlen auf den Kriegstreiber und unterstützen die Bemühungen der Politik, ihm wirksam entgegenzutreten. Wir selbst können viel für die Menschlichkeit tun. Dazu gehört es, geflüchtete Menschen aufzunehmen und in unserer Gesellschaft keine Spaltung zwischen verschiedenen Gruppen von Geflüchteten entstehen zu lassen. Das Recht auf Zuflucht an einem sicheren Ort ist nicht teilbar.
Wir dürfen über die große Hilfs- und Spendenbereitschaft für die Ukraine nicht andere Kriegsregionen vergessen. Eine solche Verlagerung der Hilfsbereitschaft läuft auf Dauer Gefahr, als Folge des Krieges in der Ukraine Konflikte in anderen Weltgegenden zu verursachen und Menschen sterben zu lassen. Humanität ist nicht teilbar. Humanität stiftet Frieden. Wir bitten die Bundesregierung mit Nachdruck, von der beabsichtigten Kürzung der Mittel für Entwicklungshilfe abzusehen.
Innerhalb der Russisch-Orthodoxen Kirche nehmen wir eine deutliche Mehrstimmigkeit wahr. Von Beginn an gab es auch in deren Reihen Voten gegen die Kriegshandlungen, insbesondere in der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Wir würdigen den Mut vieler orthodoxer Priester in Russland, die sich in einer Unterschriftenaktion gegen den Krieg und die Position Ihrer Kirchenleitung geäußert haben. Als Friedensstifter haben sie viel riskiert und sich in große Gefahr begeben. Umso wichtiger ist es uns, einer pauschalen Wahrnehmung der russischen Orthodoxie und deren Einordnung in ein uniformes Feindbild von Russland entschieden entgegenzuwirken.
Angesichts der Mehrstimmigkeit der russischen Orthodoxie hoffen wir, dass es möglich ist, Brücken des Dialogs aufrecht zu erhalten. Sie können Wege eröffnen, die für einen Friedensprozess von großer Bedeutung sein können. Für eine langfristige und tragfähige Perspektive ist es entscheidend, kulturelle, wirtschaftliche und menschliche Kontakte zu halten. Die Zivilgesellschaft in Russland ist auf unsere Unterstützung angewiesen. Ebenso wichtig ist es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt bei uns zu fördern. Es darf sich kein Hass gegen Menschen russischer Abstammung bei uns ausbreiten.
Eine künftige Friedensordnung braucht mehr als militärische Gewalt und Abschreckung: sie braucht globale Gerechtigkeit; sie braucht Klimagerechtigkeit, sie braucht eine verbindliche Rechtsordnung, die die Zivilgesellschaft stärkt, die Menschenrechte sichert und auch für Großmächte gilt.
Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben. Das letzte Wort hat der Frieden. Christus ist unser Friede.
EKD