Meister: Koalitionsvertrag zeigt schwindende Wahrnehmung von Kirche
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Hannover. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sieht die evangelische Kirche vor grundlegenden Veränderungen. Ein aktuelles Beispiel für die schwindende Wahrnehmung ihrer Bedeutung sei der Koalitionsvertrag der künftigen Ampel-Regierung, sagte Meister am Donnerstag vor der Landessynode in Hannover. „Kirche kommt auf etwas mehr als acht Zeilen vor in diesem Vertrag.“ Das Engagement, das die Kirchen auch gesamtgesellschaftlich leisteten, werde nicht so wahrgenommen, „wie wir uns das wünschen“.
Auch wenn die Kirche nach wie vor an staatliche Vorgaben gebunden sei, sehe er sie zunehmend als zivilgesellschaftliche Akteurin. „Die klassischen gesellschaftlichen Ordnungen haben sich verändert zu einer hochengagierten öffentlichen Beteiligungskultur“, sagte Meister. „Diese Kultur nimmt ihre Anliegen in die eigenen Hände. Sie bringt es auf die Straße, in die öffentlichen Räume, in Vereinsheime, Bürgerstiftungen und Quartiersentwicklungen, in die sozialen Netzwerke und auch in die Kirchen.“
Die Präsidentin des Landeskirchenamtes, Stephanie Springer, fügte hinzu, dies bedeute keine Abkehr der Kirche vom Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Eine Religionsgemeinschaft habe einen anderen Sinn als eine Lobbyvereinigung. „Wir setzen uns für das Gemeinwohl ein, wir sind für alle Menschen da.“ Der Körperschaftsstatus sei weiter zukunftsweisend.
Meister empfahl, dass die Landeskirche bei ihrem am Mittwoch vom Kirchenparlament beschlossenen mehrjährigen Zukunftsprozess einerseits junge Menschen und andererseits Seniorinnen und Senioren besonders beteiligen sollte. Auch in der wachsende Gruppe der über 60-Jährigen schwinde die Bindung an die Kirche. „Vermutlich wird die Kirche durch das hohe Maß an Selbstbestimmung und die Freiheit dieser Altersgruppe klassische Konzepte aufgeben“, sagte er. Nötig seien neue Formen.
Mit Blick auf die Jugend setze er Hoffnung in die Jugendsynode, bei der im kommenden Frühjahr 80 dafür eigens gewählte Jugendsynodale über die Zukunft der Landeskirche beraten werden. Mit dem Zukunftsprozess will sich Deutschlands größte evangelische Landeskirche auf Herausforderungen wie Mitgliederverluste und Einnahmerückgänge sowie den gesellschaftlichen Wandel und neue Zielgruppen einstellen. Er steht im Mittelpunkt der noch bis Freitag tagenden Synode.
Der Prozess solle Ideen und Visionen für die Zukunft sammeln, schon laufende Innovationsprozesse bündeln und die Akteure zusammenbringen, erläuterte der Synodale Roger Cericius. Dabei sollten auch Erfahrungen anderer Kirchen sowie außerkirchlicher Organisationen einfließen. Eine Frage könne sein, wie etwa Feuerwehren um Nachwuchs werben.
Das Projekt soll durch ein Team mit viereinhalb Vollzeitstellen gesteuert und durch einen Koordinierungssrat aus kirchlichen Entscheidungsträgern begleitet werden. Die Gesamtkosten bis Ende 2024 sind mit drei Millionen Euro veranschlagt. Die Synode hatte am späten Mittwochabend nach kontroversen Diskussionen den Prozess auf den Weg gebracht. Die Synodale Wenke Breyer sagte, der Zukunftsprozess sei mit „Mut und Zuversicht“ aber auch mit Ängsten und kritischen Fragen verbunden.