Startseite Archiv Nachricht vom 22. Juni 2021

St. Nikolai Kirchhorst macht historische Grabsteine zugänglich

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Kirchhorst. Verborgen im Unterholz und den Witterungseinflüssen ungeschützt ausgesetzt, standen sie viele Jahre lang im Unterholz auf dem Friedhof in Kirchhorst: mehrere historische Grabsteine, die ältesten unter ihnen 400 Jahre alt. Weitere Steine befanden sich, für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, in der früheren Leichenhalle des Friedhofes, die seit geraumer Zeit nur noch als Lagerraum genutzt wird. 

„Diese Steine erzählen Lebensgeschichten“, sagt Jessica Jähnert-Müller, Pastorin der evangelischen Kirchengemeinde St. Nikolai Kirchhorst. So berichtet etwa der älteste der Steine davon, dass Pastor Bernhardus Bokelmann am 19. Mai 1615 im Alter von 78 Jahren morgens zwischen vier und fünf Uhr selig entschlafen sei; knapp sechs Jahre später, an einem Abend um sechs Uhr, folgte ihm seine ehrbare Ehefrau Margareta Poppen im Alter von 76 Jahren.  Ein anderer Stein erzählt davon, dass Pastor Anton Ludolph Klapprott 1756 im Alter von 60 Jahren, drei Monaten und neun Tagen unter vielen Tränen der Seinigen in die Seligkeit einging. Sein Sohn Karl Heinrich, der den Eltern Anlass für große Hoffnungen gegeben hatte und laut lateinischer Inschrift auf seinem Grabstein zu Größerem geboren worden war, war bereits 1739 im Alter von nur drei Jahren gestorben. 

„Es ist für die damalige Zeit sicher ungewöhnlich, dass für ein verstorbenes Kind ein eigener Grabstein mit lateinischer Inschrift in Auftrag gegeben wurde“, erzählt Klaus Gutsch, Verwalter des Kirchhorster Friedhofes. Er ist sehr froh darüber, dass einige der historischen Grabsteine nun geschützt vor weiterer Verwitterung und öffentlich zugänglich an den Außenwänden der Leichenhalle angebracht sind. Dank Spenden von Gemeindemitgliedern, einem zweckgebundenen Zuschuss der Treuhandstelle für Dauergrabpflege und dem Engagement der Steinhauerei Heins sowie der Firma Glasfischer war es dem Kirchenvorstand auch möglich, die Steine restaurieren und erklärende gläserne Tafeln anbringen zu lassen. 

Die Steine, gehauen aus Sandstein aus dem Deister, geben Auskunft über kirchliches Leben: „Das gesamte 17. Jahrhundert hindurch besetzte die Familie Bokelmann das Kirchhorster Pfarramt“, erzählt Klaus Busch, der viel zur Geschichte St. Nikolais forscht. Die Pfarrstelle sei ausgesprochen gut dotiert und daher begehrt gewesen; ihre Inhaber konnten sich unter anderem auch kostbare Grabsteine für sich und die Familienmitglieder leisten. „Ein Fachmann hat uns berichtet, dass ein Steinmetz etwa neun Monate an einem solchen Stein arbeitete“, erzählt Gutsch.  

Anspruchsvoll sei es gewesen, für den lateinischen Text des rund 300 Jahre alten Kindergrabsteines von Karl Heinrich Klapprott eine zumindest sinngemäße Übersetzung zu bekommen, berichten Gutsch und Busch weiter. Lateinlehrer*innen seien an dem Text verzweifelt und hätten auf universitäres Spezialwissen verwiesen; dank großartiger Unterstützung durch den Deutschen Altphilologenverband seien dann schließlich aber doch übereinstimmende Übersetzungen von Dozent*innen gleich dreier Universitäten eingegangen. „Diese charakterisieren den lateinischen Text mit Worten wie ‚schwülstig‘, ‚reichlich sperrig‘ oder auch ‚barocker Überschwang‘“, berichtet Friedhofsverwalter Gutsch. „Die Inschriften entsprechen wohl dem barocken Lebensgefühl, das auch im Tod noch darstellen wollte, was man für eine Bedeutung hatte“, sagt Pastorin Jähner-Müller. 

Auf www.nikolai-online.de/unsere-kirche.html können Interessierte unter den Menüpunkten „Geschichtliches“ und „Virtueller Rundgang“ die Historie von St. Nikolai erkunden und die Kirche dank eines 3D-Verfahrens auch virtuell besuchen. Dabei lässt sich dann auch ein weiterer historischer Grabstein entdecken. 

Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen
Grabsteine Kirchhorst
Klaus Busch (von links), Jessica Jähnert-Müller und Klaus Gutsch sind sehr froh darüber, dass die historischen Steine jetzt zugänglich und vor Witterungseinflüssen geschützt sind. Foto: Andrea Hesse