"Wir brauchen junge Leute, die Funken entfachen"
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Herr Grimmsmann, die Kirche kämpft mit sinkenden Mitgliederzahlen, das Pfarrhaus kennt keinen Ladenschluss. Wer darin arbeitet, hat keinen ,nine-to-five'-Job. Warum können Sie dennoch für den Beruf werben?
Grimmsmann: „Weil es ein schöner Beruf ist. Der Beruf gibt Sinn, er ist vielfältig, er gibt Raum für Kreativität und eigene Akzente. Man hat mit sehr vielen Menschen zu tun und ist getragen von Gott, dem Leben und der Gemeinschaft. Arbeit und Familie lassen sich meist gut vereinbaren. Es ist nicht nur ein Job, sondern immer verbunden mit der eigenen Persönlichkeit. Unter den Kolleginnen und Kollegen gibt es eine große Liebe zu ihrem Beruf, das macht das Miteinander angenehm. Und da jetzt und in den kommenden Jahren so viele Pastorinnen und Pastoren in den Ruhestand gehen werden, sind die Berufsaussichten sehr gut – wir brauchen junge Menschen, die Lust haben, ihren Glauben zu leben und das auch noch hauptberuflich.“
Von manchen wird die Kirche schon totgesagt. Was entgegnen sie denen?
Grimmsmann: „Kirche steht unter Druck, ja. Aber besonders im letzten Jahr haben wir doch gesehen, wie viel Kirchengemeinden getan haben: von Action Bounds über die vielen neuen Online-Formate, Andachten to go, Telefonhotlines und so weiter. Kirche ist lebendig! Wenn ich an Kirche denke, denke ich nicht an alte Gemäuer, sondern an die Menschen, die sie ausmachen: die 18-jährige Pia, die gern reitet und deren Highlight die Sommerfreizeit der evangelischen Jugend ist. Oder Herr Kramer, der vor kurzem 90 geworden ist. Aber ja, wir merken, dass wir junge Leute brauchen, die etwas umbauen und neu machen, bei denen der Funke überschlägt. Und glücklicherweise gibt es sie.“
Früher hießt es besonders auf dem Lande respektvoll ,Herr Lehrer‘ und ,Herr Pfarrer‘. Heute ist dieser Respekt nicht mehr so offenbar, immer häufiger muss man sich sogar dafür rechtfertigen, in der Kirche zu sein. Sind das nicht bittere Perspektiven für angehende Pastorinnen und Pastoren?
Grimmsmann: „Jede Pastorin und jeder Pastor muss vor allem mit dem großen Vertrauensvorschuss rechnen, der ihr oder ihm entgegengebracht wird. Die Menschen freuen sich: Da kommt jemand, der oder dem man alles erzählen kann, die oder der einem grundsätzlich mit Freundschaft und Liebe begegnet. Und es ist auch heute schon immer wieder mit der Frage verbunden: Glaubst Du eigentlich wirklich an das, was Du da tust und predigst? Das ist doch eigentlich eine schöne Anfrage und eine Gelegenheit, von Gott und der Gemeinschaft zu erzählen.“
Die Jugendlichen können über die Bibelstelle abstimmen, unter der der Jugend-Andachtspreis dieses Mal stehen soll. Wie kann der Preis helfen, Nachwuchs zu gewinnen?
Grimmsmann: „Der Preis will theologisches Denken fördern und wertschätzen. Natürlich wäre es schön, wenn darüber jemand zu einem kirchlichen Beruf kommt, aber das muss überhaupt nicht sein. Wir wollen die Jugendlichen mit ihren Worten und ihrer Auseinandersetzung mit dem Glauben in den Mittelpunkt stellen. Und wir hören, was Jugendliche mit Bibelworten verbinden, wie sie sie aufnehmen und deuten, was ihre Ideen und Vorstellungen sind. Das ist spannend zu hören: was geht ihnen ins Ohr, was rührt sie an?“
Was muss ich mitbringen, wenn ich mit dem Gedanken an ein Theologie-Studium spiele?
Grimmsmann: „Es braucht einfach Lust, über Gott, die Menschen und was sie bewegt nachzudenken. Es braucht Spaß, andere Lebens- und Glaubensgeschichten mit sich und anderen ins Gespräch zu bringen. Seien es die von Abraham, Jesus und Paulus oder die von der Familie, die zur Taufe ihres Kindes in die Kirche kommt. Es braucht in der Regel auch ein Abitur oder einen anderen qualifizierenden Abschluss und die Neugierde, manches Buch zu lesen. Und es gehört auch zu meinen Aufgaben, genau hin zu hören, was andere brauchen, um Lust auf Theologie zu bekommen.
Viele kommen über die tolle Jugendarbeit unserer Kirche zu uns oder zum Beispiel durch den hervorragenden Religionsunterricht an den Schulen. Einige finden aber auch über ganz andere Wege zu uns oder ins Studium. Weil sie neugierig sind und kreativ. Die Außenperspektive ist oft sogar eine besonders spannende.“
Was hat Sie persönlich zum Theologie-Studium gebracht?
Grimmsmann: „Ich wusste bis zum Abijahr nicht, was ich tun sollte und fand die Entscheidung total schwer. Ich habe dann überlegt, dass es entweder etwas Journalistisches oder etwas Kirchliches sein sollte, weil ich da in der Jugend am meisten Interesse dran hatte. Durch einen Kontakt ins Missionarische Zentrum Hanstedt ist es dann die Kirche geworden – und glücklicherweise geblieben.“