Streit um "Reformationsfenster" geht in entscheidende Phase
Die Darstellung der Archivmeldungen wird kontinuierlich verbessert. Sollten Sie Fehler bemerken, kontaktieren Sie uns gerne über support@systeme-e.de
Hannover. Der Rechtsstreit um das "Reformationsfenster", das Altbundeskanzler Gerhard Schröder (76, SPD) der Marktkirche in Hannover stiften will, geht in die entscheidende Phase. Das Landgericht Hannover hat für den 21. Oktober einen Ortstermin in der mittelalterlichen Backsteinkirche angesetzt, wie es am Mittwoch mitteilte. "Es geht darum, sich einen Eindruck vom künstlerischen Gesamteindruck der Kirche zu verschaffen", sagte Gerichtssprecher Dominik Thalmann dem epd. Beteiligt sind drei Berufsrichter der 18. Zivilkammer (Az.: 18 O 74/19).
Schröder will der Kirche das 13 Meter hohe Buntglasfenster als Ehrenbürger von Hannover schenken. Der Künstler Markus Lüpertz (79), ein Freund des Altkanzlers, hat dafür einen Entwurf mit Motiven der Reformation gefertigt, der bereits bei den "Glasstudios Derix" in Taunusstein bei Wiesbaden in Arbeit ist. Die Kosten für Material, Herstellung und Einbau des Fensters werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Zur Finanzierung will Schröder Vortragshonorare von Verbänden und Unternehmen in Deutschland weitergeben.
Anlass der geplanten Schenkung war das 500. Reformationsjubiläum vor drei Jahren. Seither tobt ein künstlerischer und juristischer Streit um das Fenster. Der Erbe des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1994), der in Tokio lebende Rechtsanwalt Georg Bissen, will den Einbau verhindern und klagte dagegen vor dem Landgericht. Als Inhaber der Urheberrechte macht er geltend, das moderne Fenster passe nicht in den gotisch geprägten Innenraum der Kirche. Es weise keines der dort verkörperten Wesens- und Stilmerkmale auf und stehe in offenem Widerspruch zu dem Bauwerk. Oesterlen hatte die im Krieg zerstörte Kirche nach 1946 wiederaufgebaut und neu gestaltet. Sie gilt heute als ein Wahrzeichen Hannovers.
Bissen wird nach Angaben seines Rechtsanwaltes Frank Meier bei dem Ortstermin voraussichtlich persönlich anwesend sein. Meier ist auf Bau- und Architektenrecht spezialisiert und Lehrbeauftragter für dieses Gebiet an der Technischen Universität Braunschweig. Die Marktkirche, die das Werk unbedingt einbauen lassen will, wird von der Berliner Anwältin Viktoria Kraetzig vertreten, einer Spezialistin für Urheberrecht. Zudem werden am 21. Oktober voraussichtlich der Kirchenvorstandsvorsitzende Reinhard Scheibe und weitere Kirchenmitarbeiter vor Ort sein. Eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht ist für den 3. November anberaumt.
Das Glaskunstwerk zeigt eine große weiße Figur, die Martin Luther darstellen soll, sowie Motive mit Bezug zur Reformation. Der Entwurf von Lüpertz ist vor allem wegen fünf großer schwarzer Fliegen auf dem Bild umstritten - auch in der Kirchengemeinde selbst. Die Fliegen stehen für das Böse und die Vergänglichkeit. Das Fenster ist nach Angaben der Glasmanufaktur Derix bereits halb fertig. Innerhalb von drei bis vier Monaten könne es komplett fertiggestellt sein, sagte Projektleiter Roland Prahl dem epd. "Dieses Jahr wird es aber sicherlich nicht mehr eingebaut."
epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen