Ein Telefonat zu Corona mit...Marianne Gorka, Landespastorin für Posaunenchorarbeit
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13.000 ehrenamtliche Bläser*innen spielen in 670 Chören in der ganzen Landeskirche. Nun sind seit Wochen Proben und Auftritte verboten - wie gelingt es trotzdem, mit Musik Menschen und Herzen zu erreichen? Das haben wir Marianne Gorka, Landespastorin für Posaunenchorarbeit, gefragt.
Frau Gorka, Blechbläser sind Gemeinschaftsmenschen. Wie schwer hat es die Chöre getroffen, ausgerechnet rund um Ostern ganz ohne Chorproben und Auftritte auskommen zu müssen?
Das ist in der Tat bitter. Die Proben, das gesellige Beisammensein, gemeinsame Auftritte - das fehlt allen sehr. Aber die Posaunenchöre verstehen es, aus dieser Situation das Beste zu machen. Es gibt kleine Videos, Aktionen. Filme. Und eine gemeinsame Aktivität ist inzwischen gar zu einer Art Dauerbrenner geworden.
Sie sprechen vom abendlichen Musizieren auf Balkonen und in Vorgärten. Wie kam es zu der Idee, und wie läuft das ab?
Die Idee kam von verschiedenen Stellen, letztlich auch aus Italien, von dem weit verbreiteten Video von gemeinsam singenden Nachbarn. Bei den Posaunenchören ist es etwas anders, weil man nicht so nah beieinander ist. Aber sie haben eine gemeinsame Uhrzeit und ein gemeinsames Lied. Es wird jeden Tag ein Lied inklusive Noten verschickt und zieht Kreise, über Social Media, aber auch per Telefon und persönlich. Dann stehen abends an vielen Orten Menschen und spielen zeitgleich. Man tut das für das eigene Wohlgefühl - und natürlich auch als Durchhaltegruß an die Nachbarn. Die Instrumentalstimmen werden so gesetzt, dass auch eine Tuba mal die Melodie spielt. Ganz einsam sind die selten - oft stehen da auch ganze Familien und musizieren. Das ist ja in der Bläserarbeit durchaus eine schöne Regelmäßigkeit.
Wie sind die Reaktionen darauf?
Das ZDF hat am Ende des Gottesdienstes an Ostersonntag eine schöne Zusammenstellung vieler Musizierender aus Rheinland-Pfalz gebracht, von wo die Übertragung stattfand. Das hat uns natürlich sehr gefreut. Insgesamt haben wir aber Nachfragen aus dem ganzen Bundesgebiet bekommen: von Dortmund bis Dresden und von Franken bis Friesland - und das auch nicht nur von Bläsern. Prompt wurde an ganz unterschiedlichen Orten, etwa Burgdorf, Hildesheim und Wittmund, zu Ostern an zentralen Plätzen zeitgleich gespielt - ohne Vorankündigung, um keinen Auflauf zu produzieren. Ich spiele selbst Trompete und weiß: Wir Bläser leben einfach von diesem schönen, gemeinsamen Klang. Solange es kein gemeinsames Treffen und Üben geben kann, ist das eine tolle Möglichkeit, diese Zeit zu überbrücken. Das Wichtigste für mich ist: Die Bläser selbst haben Spaß und können auf diese Weise etwas tun. Das ist ein großer Wert an sich. Zugleich hören wir immer wieder, dass plötzlich ein Nachbar ruft: „Ich danke Euch“.
Wie können Sie mit Ihren Landesposaunenwarten und anderen Team-Mitgliedern die Tausenden Bläser*innen im Land unterstützen?
Die Kolleg*innen versuchen, passgenaues Material zum Üben zu liefern. Und Gruppen, die sie sonst besucht hätten, können sie per Video treffen, damit die dranbleiben können. Beratungen und Planungen mit Chorleiter*innen und Obleuten gehen weiter, so gut es geht. Dazu gibt es eine Facebook-Gruppe, wo verschiedene Leute posten können: Was macht ihr? Da kommen viele schöne Filmchen und Ideen zusammen.
Wie soll es mit den Aktionen weitergehen?
Ehrlich gesagt: Wir hoffen vor allem, dass das Land wieder langsam hochfährt. Dann könnten wir hoffentlich auch bald wieder regulär proben und spielen. Das nächste größere Kirchenfest ist Himmelfahrt, dafür könnte es im Zweifel auch eine gemeinsame Aktion geben. Auf jeden Fall werden die abendlichen Zusammenkünfte weitergehen. Denn Bläser sind eine treue und verlässliche Schar. Glocken und Bläser bekommen in der Außenwahrnehmung von Kirche gerade eine ganz andere Wahrnehmung. Ich finde, das ist eine schöne Sache.
Was nehmen Sie für sich mit aus diesen Erfahrungen für die Zeit nach Corona, wann auch immer das sein wird?
In erster Linie, dass wir mit den Posaunenchören eine sehr vitale und beständige Gemeinschaft haben. Das ist eine tolle und wertvolle Erkenntnis. Und: Videokonferenzen sind ein tolles Mittel, wir haben sie schon im Jahr der Freiräume 2019 genutzt, um Fahrtzeiten und Energien zu sparen. Selbst Leute, die bisher nicht so technikaffin sind, springen ins kalte Wasser und freunden sich jetzt damit an. Aber niemand will das wirklich dauerhaft als Ersatz für persönliche Treffen. Überall dort, wo man musikalisch zusammenarbeitet, geht das nicht besonders gut: Akustisch gibt es immer wieder Schwankungen. Und je größer die Gruppe, desto anstrengender ist es. Hinzu kommt: Wir sind nicht auf solistisches Musizieren ausgelegt, sondern auf das Spielen in der Gruppe. Das ist unsere große Stärke und Ausstrahlung. Und das entdecken - und vermissen - viele gerade mehr als je zuvor.