Ein Telefonat zu Corona mit... Joachim Lüdemann, Pastor in Südafrika
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Joachim Lüdemann ist Pastor in der Durban Central Parish und lebt und arbeitet seit 2001 in Südafrika, zunächst in ländlichen Gebieten, jetzt in der drei Millionenstadt Durban. Der Regionalrepräsentant des Ev. Lutherischen Missionswerks in Niedersachsen (ELM) für das Südliche Afrika fürchtet, dass der Corona-Virus verheerende Folgen in Südafrika haben könnte und erzählt von seiner Hoffnung angesichts dieser Epidemie.
Herr Lüdemann, wie ist die Situation aktuell in Südafrika?
„In Südafrika gilt seit dem 26. März eine strenge Ausgangssperre – man darf nur noch zum Einkaufen, zum Arztbesuch oder um Geld zu holen auf die Straße. Polizei und Militär patrouillieren durch die Straßen und kontrollieren das. Das ist für viele schon eine beklemmende Situation. Es hat bereits hunderte Verhaftungen von denen, die sich nicht an die Ausgangssperre gehalten haben. Vorwürfe von exzessiver Gewalt der Sicherheitskräfte gegenüber der Bevölkerung häufen sich. Es sind in diesem Zusammenhang bereits mehr Menschen in Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften verstorben, als an Covid-19.“
Wie geht es Ihnen und den Menschen in Ihrer Gemeinde?
„Ich wohne mit meiner Frau und unseren drei Söhnen in einem Einfamilienhaus mit Garten. Wir gehören zu den Privilegierten, haben genügend Platz und es geht uns gut. Aber wie soll so eine Ausgangssperre in den Vierteln der Ärmeren funktionieren – in den Townships und den Slums? Wo sich neun Leute eine Hütte von sieben Quadratmetern teilen? Wo es nur einen Wasserhahn für 30 solcher Hütten gibt? Wenn die Menschen nicht mehr ihre Waren an der Straße verkaufen dürfen und nicht wissen, wie sie die nächste Mahlzeit kaufen sollen? Wenn sie in hunderte Meter langen Schlangen dichtgedrängt vor den Ausgabestellen des Staates für Sozial-Renten stehen, um sich das Senioren- oder Kindergeld auszahlen zu lassen, dann funktioniert „social distancing“ nicht. Das bereitet hier große Sorgen.
Denn natürlich bekommen viele über die Nachrichten mit, was zum Beispiel in Italien passiert - aber das ist für viele auch weit weg. Hinzukommen viele Gerüchte und ,fake news‘, dass dieses Virus Menschen mit einer schwarzen Hautfarbe nichts anhaben kann.“
Was bedeutet das für Ihre Aufgabe als kirchlicher Vertreter?
„Da ist es jetzt auch Aufgabe der Kirche, Aufklärung zu leisten und zu warnen, nicht alles zu glauben, was über Facebook und WhatsApp die Runde macht.
Und wir müssen natürlich neue Wege finden: statt eines Gottesdienstes zeichne ich meine Predigt mit dem Handy auf, lade sie bei Youtube hoch und verschicke sie auch als Audio-Datei per WhatsApp. Einige Kollegen haben inzwischen auch schon damit angefangen und andere bitten um technische Hilfe. Aber das ist natürlich nicht dasselbe, wie ein normaler Gottesdienst, bei dem die Leute sehr aktiv den Gottesdienst mitgestalten mit Gesang, Zeugnis und Tanz und so wortwörtlich Leben in der Kirche ist. Zu Beerdigungen kommen nicht selten 300 oder 400 Anteilnehmende und die Zeremonie zieht sich über fünf oder sechs Stunden hin, mit diversen Ansprachen und Abendmahlsgottesdient in einer Kirche oder Halle, der gemeinsamen Fahrt zum Friedhof – häufig mit mehreren gemieteten Bussen - und dann der Beisetzung. Jetzt sollen nur noch maximal 50 Leute daran teilnehmen dürfen und alles maximal eine Stunde dauern – und alles nur am Grab und nicht in einem geschlossenen Raum. Wie soll man das den Trauernden und Anteilnehmenden vermitteln?“
Gibt es Positives, das Sie ausmachen konnten?
„Ja durchaus! Insgesamt ist es zwar eine sehr ungewohnte und merkwürdige Situation, Abstand halten zu sollen, in einer Kultur, die besonders von den vielfältigen sozialen Beziehungen geprägt ist. Durch das Verkaufsverbot für Alkohol gibt es aber deutlich weniger Gewalttaten.
Meine Hoffnung ist die Realität Gottes, der zusagt, sich besonders der Armen und Kranken in dieser Epidemie anzunehmen – sie seine Nähe spüren zu lassen, durch das selbstlose Wirken vieler Mitarbeitenden im Gesundheitssektor, aber auch durch viele Nichtregierungsorganisationen, die Essenspakete verteilen, die ihre Kirchen als Zufluchtsorte öffnen, und die auch einfach die besonders Betroffenen im Gebet mittragen und ihnen Mut-Worte zusprechen. Bei diesem Gebet und Mut-Weitergeben mache ich auch gerne mit – und lade auch alle in Deutschland dazu ein, dabei zu sein!“
Christine Warnecke