Ein Telefonat zu Corona... mit Diakonin Silke Knieling
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Frau Knieling, viele Menschen kaufen im Augenblick nicht gern ein - die Kunden sind gereizt und ängstlich, viele Regale sind leer. Frust ist beinahe garantiert. Sie dagegen wollen auch für Andere einkaufen - wie kommt’s?
Es gibt so viele Menschen, die sich nicht mehr aus dem Haus trauen, die in Quarantäne sind - und bei denen auch keine Haushaltshilfe mehr kommt. Für die wollen wir Einkäufe und Medikamente besorgen und nach Hause bringen. Unser Konzept haben wir mit drei Diakonen für den ganzen Kirchenkreis skizziert und mit dem Superintendenten abgestimmt.
Diese Idee hatten Sie aber schon weit vor der Coronakrise…
Tatsächlich haben zwei Kirchenvorsteherinnen und ich schon vor gut einem Jahr gemeinsam mit einigen Ehrenamtlichen eine Nachbarschaftshilfe hier in Schüttorf gegründet. Unser Team fährt für Menschen einkaufen, hilft beim Umgang mit Computern und Handys, dreht bei Bedarf Glühbirnen ein, bringt Bedürftige zum Arzt und sucht auch schon mal eine Wohnung, wenn ein Wasserrohrbruch ein Haus unbewohnbar gemacht hat. Bei manchen Dingen sind wir zur Zeit zurückhaltender und prüfen erst einmal die Dringlichkeit. Aber einkaufen ist lebensnotwendig. Und da sind wir zur Stelle.
Und wie sind Sie auf den ungewöhnlichen Namen gekommen?
Wir nennen uns das Luther-Engel-Team. Der Name macht zwei Dinge deutlich: Die Idee kommt aus der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, die hier die Minderheit darstellt. Und wir wollen den Menschen in unserer Stadt - unabhängig von Konfession und Religion - bestmöglich helfen. Unser Team ist deutlich ökumenisch besetzt, dazu sind von 17 bis 75 Jahren alle Altersgruppen dabei.
Wie funktioniert das ganz praktisch?
Wir lassen uns telefonisch den Einkaufszettel durchgeben, kaufen ein und geben alles an der Tür ab. Dabei passen wir natürlich besonders auf: Wir benutzen Einmalhandschuhe und bleiben auf Abstand. Aber wenn ich eine schwere Einkaufstasche habe und eine gebrechliche ältere Dame mit Rollator begrüßt mich an der Tür, dann gehe ich schon mit rein und stelle den Einkauf auf den Küchenstuhl.
Wie wird das Angebot angenommen?
Unsere Nachbarschaftshilfe wurde bis zum Beginn der Coronakrise sehr gut angenommen. Aber im Moment ist spürbar, dass die Leute uns nicht mehr so oft anfragen, etwa für eine Fahrt zum Arzt. Gerade die älteren Menschen gehen wirklich nur noch aus dem Haus, wenn es zwingend nötig ist. Für unseren Einkaufsservice gab es während der Krise erst vereinzelt Anrufe. Die Versorgung funktioniert hier im dörflichen Raum unter Nachbarn noch ziemlich gut, man hilft sich gegenseitig. Außerdem haben wir hier in der Grafschaft erst vergleichsweise wenige Coronafälle. Das ändert sich womöglich noch rasant. Wenn dann erst einmal ein Teil der Vorräte aufgebraucht sein wird, kommen sicher noch mehr Nachfragen. Hinzu kommt: Die Familienstrukturen haben sich verändert, Angehörige sind berufstätig und wohnen auch nicht immer in der unmittelbaren Nähe.
Haben Sie keine Angst, sich selbst anzustecken?
Händewaschen, Hygiene, Abstand - darauf bin ich schon sehr bedacht. Aber was wäre die Konsequenz, wenn wir als Kirche uns gänzlich zurückziehen würden? Ich finde, das können wir nicht machen. Ich versuche, da einen Mittelweg zu finden. Ich habe vor ein paar Tagen mit einer älteren Dame telefoniert, die den Wunsch nach einer gemeinsamen Tasse Kaffee geäußert hat. Im Gespräch wurde deutlich, dass sie verschiedene soziale Kontakte hat und nicht gänzlich vereinsamt. Deshalb werde ich hier keinen Besuch machen. Hätte ich wahrgenommen, dass sie unter Einsamkeit leidet, wäre ich wohl unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln zu ihr gefahren. Es ist eine Gratwanderung im Moment, aber der komplette Abbruch aller Verbindungen zu älteren Menschen ist für mich einfach auch keine Lösung.