Frauen-Tischgespräche zum beruflichen Ein-, Um- und Aufsteigen
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Hannover. „Es gibt viele starke Frauen in Hannover, mit und ohne Migrationsbiographie, die ihren beruflichen Weg machen, allen persönlichen oder strukturellen Stolpersteinen zum Trotz. Ihre Geschichten sind es wert, erzählt und gehört zu werden. Denn sie ermutigen und weiten den Blick auf die Andere“, sagt Waltraud Kämper, Referentin für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) zur Begrüßung von über 30 Frauen aus unterschiedlichen Ländern am 11. März im Haus kirchlicher Dienste (HkD).
Einige der Frauen, die zu den „Tischgesprächen“ anlässlich des Internationalen Frauentages in das HkD gekommen sind, kennen sich aus den früheren KDA-Projekten – dem Mentoringprogramm Minerva oder dem Integrationsprojekt Ponte, andere sind aus Interesse an den aktuellen Frauen- oder Integrationsthemen hier oder weil ihre Freundinnen über ihren beruflichen Werdegang erzählen. Der Abend beginnt mit Musik von Agnes Hapsari, die am Klavier ihr ein Lied über Frauen, Frieden und Freiheit in mehreren Sprachen präsentiert und eine ganz besondere, vertraute Atmosphäre schafft. Huda El-Haj-Said, eine Poetry-Slam-Künstlerin aus Lüneburg, mit Wurzeln im Libanon, stimmt mit Ihren klaren und fragenden Worten auf den Abend ein: „Verantwortung für die Welt, in der wir leben und vor allem braucht es jeden Einzelnen von uns.“
Die erste Gesprächspartnerin von Waltraud Kämper ist Roaa Elsafi. Sie stammt aus Sudan, trägt Kopftuch und ist Elektroingenieurin. „Gerade ist es eine gute Zeit für mich“, erzählt sie. „Ich habe drei Monate in meinem Masterstudium in einem Unternehmen in Wolfsburg gearbeitet und es ist gut gelaufen.“ Schon als Kind wollte sie Elektroingenieurin werden. Als Migrantin aus Sudan musste sie viele Hürden auf dem Weg nehmen, doch nun habe sie es geschafft.
Für das Praktikum steht sie jeden Tag um vier Uhr morgens auf: „Ich muss alles für meine beiden Kinder fertigmachen und nehme dann um 6 Uhr die Bahn. Ich will pünktlich sein.“ Nebenbei hat Roaa Elsafi mit einer Freundin den Verein „Mein Körper gehört mir“ gegründet und setzt sich dafür ein, dass die Beschneidung von Mädchen in Deutschland aufhört. Zu ihren Schwächen steht sie mit einem Lächeln: „Ich will immer alles perfekt machen“, sagt sie. „Daran muss ich arbeiten, denn es macht zu viel Stress. Ich will eine gute Mutter und Ingenieurin sein, aber nicht perfekt.“
Quereinstieg in Deutschland geklappt
Joana Cavaco aus Portugal und Waltraud Kämper kennen sich seit 2010 aus dem Mentoringprogramm Minerva. Während der Wirtschaftskrise in Portugal kam sie mit ihrem Mann nach Deutschland: „Und da bin ich in Hannover gelandet, in der Mitte von Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen“, erinnert sich Joana Cavaco, die damals gerade mit ihrem Masterstudium der Landschaftsarchitektur fertig geworden war. „Ich wollte in meinem Beruf arbeiten und habe anfangs jeden Tag acht Stunden Deutsch gelernt“, sagt sie.
Ziemlich schnell war ihr Deutsch so gut, dass sie sich bewerben konnte. Dabei habe ihre Mentorin aus dem Minerva-Programm, das Führungskräfte aus der Wirtschaft mit Berufsanfängerinnen zusammenbrachte, sehr geholfen. „Wir haben jedes Bewerbungsgespräch vor- und nachbereitet, in Rollenspielen und nach Gedächtnisprotokollen. Ich habe sehr, sehr viel gelernt“, so Cavaco. Doch obwohl Joana regelmäßig zu den Bewerbungsgesprächen eingeladen wurde, klappte es mit der passenden Stelle nicht.
„Als es gerade persönlich sehr schwierig war, habe ich mich entschieden, erstmal ehrenamtlich zu arbeiten.“ Ein Jahr lang hat Joana ehrenamtlich ihre Kenntnisse im Bereich Natur- und Umweltschutz unter Beweis gestellt und ihre eigenen Aufgaben entwickelt, dann wurde sie von dem Unternehmen übernommen. „Ich liebe meinen Job, weil ich alles, was ich bisher gelernt habe, einbringen kann und ich in einem guten Team arbeite“, sagt sie und strahlt.
Offen für Umwege und Zufälle
Die Berufsbiographie von Nicole Schwarzer ist keine Gerade: Abitur in Ostdeutschland, das Studium angefangen und abgebrochen, Freiwilliges soziales Jahr bei einer Einrichtung der Landessportjugend, Ausbildung zur Fotografin in Hannover. „Die Ausbildung habe ich durchgezogen, obwohl ich nicht so richtig glücklich damit war“, sagt sie. Dann passierte ein Zufall: Im Gespräch mit einer Kollegin erzählt Nicole Schwarzer, dass sie als Kind unglaublich gern die Fernsehzeitungen ausgeschnitten und sortiert hat, welche Filme zu welchen Schauspielern gehören. Sie bekommt einen Tipp zum Studiengang des Dokumentation- und Informationsmanagements an der Fachhochschule Hannover. Und auf die Ausbildung folgt doch ein Studium.
„Ich habe es ordentlich durchstudiert und während des Studiums zufällig einen Praktikumsplatz in Hannover in dem Polizeimuseum bekommen“. Nach der Bachelorarbeit wird sie übernommen. Doch der Zufall will es anders: Der befristete Vertrag läuft aus. Nicole landet im Haus kirchlicher Dienste als Team-Assistentin im Arbeitsfeld Umwelt- und Klimaschutz. Seit kurzem hat sie im Haus eine Leitungsposition als Informationsmanagerin – das hat sie studiert. Eine neue Herausforderung? „Vielleicht“, sagt sie nachdenklich. „Ich hoffe, dass ich Menschen mitnehmen kann und offen bleibe.“
Frauengespräche gehen an den Tischen weiter. Was hat mich berührt in den Geschichten der Anderen? Wo stehe ich gerade in meinem Beruf und in meinem Leben? Wie kann ich meinen Beruf und meine Familie besser vereinbaren? Wo sind meine Grenzen? „In diesen Gesprächen mit den jungen Frauen spüre ich eine große Resonanz und sehr viel gegenseitige Wertschätzung und das ist so wichtig. Denn, keine Frau kann die in ihr angelegten Potenziale entfalten, wenn sie in ihrer Würde von anderen verletzt wird oder gar selbst die eigene Würde nicht achtet“, sagt Waltraud Kämper. „Ich bewundere die Frauen für ihren Mut, ihre Zuversicht und ihre Erfolge und hoffe, dass wir mit unseren KDA-Angeboten sie weiterhin auf ihrem Weg gut begleiten können.“
Das Haus kirchlicher Dienste unterstützt und ergänzt als übergemeindliche Einrichtung die Arbeit der Kirchengemeinden in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Aktuelle Themen und Fragestellungen werden hier aufgegriffen und zentral bearbeitet, so dass die Inhalte für die kirchliche Arbeit vor Ort zur Verfügung stehen. Zu den wesentlichen Aufgaben der Referentinnen und Referenten gehören die Entwicklung und Bereitstellung von Materialien, die Weiterbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen, die individuelle Beratung sowie der inner- und außerkirchliche Dialog.
Öffentlichkeitsarbeit im HkD