80 Gläubige tauschten sich im Glockenhaus über ihre Religionen aus – Initiative der Lüneburger „Teerunde“
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Lüneburg. Wenn Murat Gök sich vom Himmel einen Segen wünscht, streckt er die Hände zum Himmel und streicht sich danach über das Gesicht. Wenn Martin Hinrichs in der Schlange vor der Kasse im Supermarkt steht, betet er manchmal, ohne dass irgend jemand das bemerkt. Und wenn Carsten Menges sich außerhalb seiner Kirche umhört, was das wohl für eine Kette sei in seiner Hand, dann weiß kaum jemand, was ein Rosenkranz ist.
Murat Gök gehört zur Ditib-Moschee am Lüner Weg, Martin Hinrichs zu den reformierten Christen am Schwalbenberg, Carsten Menges zur katholischen Kirche St. Marien. Wer betet auf welche Weise? Darüber haben sich Gläubige aus drei verschiedenen Religionen und zehn verschiedenen Gemeinden jetzt im Lüneburger Glockenhaus ausgetauscht. Ein Mal im Jahr trifft sich dort eine Gruppe aus rund 80 Menschen, um sich in Tischgesprächen über ihren Glauben auszutauschen: zum Beispiel über Riten, Religionsstifter und Feste – und dieses Mal eben das Gebet.
„Wir heben die Hände deutlich über den Kopf und richten den Blick zum Himmel“, sagte Hanno Lenk von der Bahai-Gemeinde. „Denn vom Himmel kommt das Gute.“ Friedemann Pache von der evangelisch-freikirchlichen Matthäus-Gemeinde erzählte, bei ihnen würde beim Beten vor allem gesungen, und Francesco Khalil Stagliano vom Sufi-Zentrum schilderte den Gebetskreis, in dem ein Imam ein Gebet vorspricht und die anderen es nachsprechen.
Annegret Bettex erklärte für die evangelisch-lutherischen Christen, warum die Menschen beim Beten nach unten blicken: „Das sieht vielleicht ernst aus. Es geht aber darum zu hören, was Gott uns in unser Herz sagt.“ Die Katholikin Christine Sieland befand: „So verschieden wir Menschen sind, so verschieden sind unsere Wege zu Gott. Wichtig ist das, was uns alle verbindet.“ Und Ana Moncada von der Bahai-Gemeinde hielt fest: „Die wichtigste Gebetshaltung ist für mich die innere: nämlich, dass wir vertrauen.“ Sie ist überzeugt: „Alle Menschen beten. Auch, wenn sie sagen, sie tun es nicht.“
Der Abend „Religionen im Gespräch“ findet einmal im Jahr statt und wird organisiert von der sogenannten Teerunde der Religionen. Zum informellen Teetrinken kommen seit 2015 auf Initiative von Superintendentin Christine Schmid regelmäßig Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Lüneburg zusammen mit Menschen aus der Bahai Gemeinde, der Al-Sahaba Islamischen Gemeinde, der Ahmadiyya Muslim Gemeinde Lüneburg, der Ditib Türkisch-Islamischen Gemeinde Lüneburg und dem Sufi Zentrum Lüneburg.
Das Konzept ist bewusst nicht öffentlich gehalten, erklärt Mitorganisatorin Annegret Bettex: „Wir möchten uns im vertraulichen Rahmen austauschen. Das Bedürfnis ist groß, miteinander ins Gespräch zu kommen. Auf Augenhöhe.“ Damit das gelingt, laden die Gastgeber aus jeder Gemeinde dieselbe Anzahl Menschen ein. Dechant Carsten Menges: „Uns geht es auch darum, dass das Verhältnis zwischen den Glaubensrichtungen an jedem Tisch ausgeglichen ist. Das gelingt von Mal zu Mal besser.“
Carolin George/ Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Lüneburg