Flüchtlingshilfe im Kirchenkreis Harzer Land – eine Art Bilanz

Harzer Land. Schon früh stellte der Kirchenkreis Harzer Land klar, dass Flüchtlingshilfe auch Christenpflicht ist. Im Frühjahr 2016 wurde sogar eine eigene Stelle für Flüchtlingssozialarbeit geschaffen und mit Dana Pruss besetzt. Bei der Kirchenkreissynode berichtete sie nun über ihre Arbeit und zog eine Art Bilanz. Und nicht nur sie, sondern auch weitere Vertreter aus verschiedenen Gemeinden, die über ihre Erfahrungen sprachen.

„Seitdem ich angefangen habe, hat sich vieles verändert“, begann die Flüchtlingssozialarbeiterin. Die Beratung von Geflüchteten wurde zu ihrer Hauptaufgabe, Beratung in Sachen Asylverfahren, bürokratische Strukturen, finanzielle und rechtliche Probleme, Familiennachzug, Jobsuche und einiges mehr. Leider musste sie feststellen, dass Geflüchtete bezüglich ihrer Zukunft in Deutschland leider immer noch sehr lange in der Luft hängen. Bis zur dauerhaften Aufenthaltserlaubnis oder überhaupt bis zu einer endgültigen Entscheidung ist es häufig ein langer Weg.

Das kann psychisch sehr belastend sein, machte Dana Pruss deutlich, vor allem, wenn hinzukommt, dass Familien oft in unterschiedlichen Städten oder gar Bundesländern leben müssen bis die bürokratischen Hürden überwunden sind. Bei nicht eben wenigen führt das auf Dauer dazu, dass sie Deutschland wieder verlassen und freiwillig in die alte Heimat zurückkehren, dann aber wenigstens gemeinsam.

Bildung sei ein großes Thema in ihrer Arbeit und vor allem auch für viele Geflüchtete. Die meisten wollen nicht auf Kosten des Staates leben, sondern unsere Sprache lernen, sich fortbilden und schließlich einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden. Doch all das muss natürlich finanziert werden. Hierzu hat sie etliche Veranstaltungen und Infoabende mitorganisiert, besonders intensiv zum Thema Arbeit in Deutschland.

Die Sprachhürden, die anfangs dazu führten, dass sie sich manchmal mit Händen und Füßen verständigen musste, sind deutlich niedriger geworden, ganz klar. „Doch auch die Stimmung in Deutschland hat sich verändert, nicht unbedingt zum Positiven“, stellte sie fest. Das gelte allerdings nicht für den Kirchenkreis, denn hier habe sie und haben auch die meisten Geflüchteten bisher noch kaum negative Erfahrungen gemacht. Dementsprechend viel Dankbarkeit bekomme sie auch zurück.

Ihr Herz, das war der Flüchtlingssozialarbeiterin deutlich anzumerken, schlägt aber auch für die kulturellen Projekte, an denen sie beteiligt ist. So beispielsweise der iChor, indem Sängerinnen und Sänger mit und ohne Migrationshintergrund deutsche Popsongs singen und der im März sein erstes komplett eigenes Konzert auf die Bühne bringt. Oder das Musicalprojekt „It's Showtime“, das im vergangenen Herbst bei allen mitwirkenden Jugendlichen Herkunft und eventuelle kulturelle Unterschiede vollkommen im Hintergrund verschwinden ließ, weil sie plötzlich alle für eine gemeinsame Sache standen und am Ende der Aufführungen auch gemeinsamen begeisterten Applaus bekamen.

All das, so betonte sie, macht sie natürlich nicht allein, sondern ihm Rahmen eines engagierten Netzwerkes in der Region, denn allein wegen vieler Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren gibt es für alle, die Geflüchtete unterstützen ständig neue Informationen und Rahmenbedingungen. „Und die Gesetze werden meist nicht besser“, so Dana Pruss.

Ebenso wichtig wie andere Institutionen sind auch die viele Ehrenamtlichen, die sich in den einzelnen Gemeinden für die dort zugezogenen Geflüchteten engagieren, so dass auch vier Vertreter aus vier Gemeinden ein kurzes Schlaglicht auf ihre Projekte und Erfahrungen warfen. Den Anfang machte Pastor Gerhard Bergner aus Herzberg. Er bekomme immer wieder mit, dass manche sich über zu viele Ausländer beklagen, berichtete er, das seien leider recht viele, doch seien es nach seiner Wahrnehmung noch mehr Menschen, die helfen wollten und bis heute helfen wollen.

In seiner Gemeinde habe sich beispielsweise eine gemischte Fußballgruppe gegründet, die regelmäßig spielt. „Beim Fußball“, so sagte er, „spielt es keine Rolle, ob jemand als Christ oder als Moslem lebt.“

In Wollershausen werde viel über Glauben und Glaubensfreiheit diskutiert, erzählte Pastor Arne Edelmann. „Ich habe gestaunt, wie viel Interesse insbesondere bei Iranern am christlichen Glauben da ist.“ Allerdings kenne er auch Geflüchtete, die in Depressionen verfallen, weil sie in der Gemeinde zwar gut eingelebt sind, offiziell und auf dem Papier aber noch nicht dazugehören.

Wenn in ein Dorf mit etwa 400 Einwohnern plötzlich 100 Flüchtlinge ziehen und diese 500 Menschen dann problemlos zu einer Dorfgemeinschaft zusammenwachsen, spreche das seiner Ansicht nach aber eine deutlich Sprache. Und die Dankbarkeit, die er immer wieder erfährt, sollten manche Bedenkenträger durchaus auch als Zeichen nehmen, wie gut Integration gelingen kann.

In Clausthal seien die Flüchtlingshelfer eher nach Goslar orientiert, stellte Dorothea Römpage fest, doch auch im dortigen Landkreis gebe es ein enges Netzwerk, das natürlich auch mit dem Kirchenkreis kooperiert. Eine besondere Situation habe sie in ihrer Gemeinde dennoch erlebt, denn durch die vielen internationalen Studenten an der Uni habe man hier Sprachprobleme immer relativ schnell mit Dolmetschern überwinden können.

Inzwischen haben sich auch hier die Schwerpunkte verlagert und für viele Geflüchtete gehe es vor allem um die Suche nach einem zukunftssicheren Arbeitsplatz. Leider bietet Clausthal-Zellerfeld hier nun einmal wenig Möglichkeiten, so dass viele inzwischen in größere Städte wegziehen. Als Erfahrung ihres jahrelangen Engagements nehme sie viel Positives mit, aber auch nicht nur. „Belastend ist, dass in den Behörden viele Menschen sitzen, die wenig bereit sind, unseren Klienten die Sachverhalte verständlich zu machen“, klagte sie.

Stefanie Wulkop aus Kalefeld hat feststellen müssen, dass es anfangs sehr viele Ehrenamtliche gab, die sich um ankommende Familien gekümmert haben, inzwischen seien jedoch nur noch sehr wenig übrig geblieben. Allerdings gebe es in der Gemeinde auch weniger Flüchtlingsfamilien, da viele auch aus dem Alten Amt in größere Städte mit mehr Chancen auf einen Arbeitsplatz ziehen.

Außerdem erinnerte sie sich an Gemeinschaftsunterkünfte, die nicht dem Standard entsprachen, den sie hätten ausweisen müssen, wodurch es vermehrt zu Schwierigkeiten kam. Daher sei die eigene Wohnung und letztlich auch der Familiennachzug so wichtig, betonte sie, in einem Einzelfall habe sie damals Kontakte zu Sigmar Gabriel geknüpft, der tatsächlich auch geholfen habe.

Integration und Hilfe für Flüchtlinge, so wurde aus den Berichten deutlich, ist immer individuell, immer wieder anders und daher immer auch etwas, was sich meist nur mit vielen Kontakten bewerkstelligen lässt. Dann jedoch trägt sie zum Wohle aller bei und ist für die Geflüchteten wie auch die Helfer und damit auch für die Gesellschaft eine enorme Bereicherung.