Sozialraum-Arbeit im ländlichen Raum
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Hannover. Das Projekt „Kirche im ländlichen Raum“ wird Diakon Jörg Christian Lindemann als Referent im Haus kirchlicher Dienste (HkD) ab Dezember 2019 aufbauen. Dabei wird er die Sozialräume im ländlichen Raum in den Blick nehmen und auch diakonischen Einrichtungen vor Ort mit einbeziehen. Das Projekt steht in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsfeld „Gemeinwesendiakonie“ im HkD. Bei dem Aufgabenbereich von Herrn Lindemann handelt es sich um ein Querschnittsthema im Haus kirchlicher Dienste, bei dem mehrere Fachbereiche zukünftig eng miteinander zusammenarbeiten. Die Finanzierung der Stelle war möglich durch die Bereitstellung der Finanzmittel aus dem Fachbereich Kirche. Wirtschaft. Arbeitswelt.
„Im Grunde habe ich immer schon sozialraumorientiert gearbeitet“, sagt Lindemann rückblickend. „Nur wusste ich damals nicht, dass man es so nennt.“ Als junger Diakon war er von 1984 bis 1994 Kreisjugendwart im Kirchenkreis Georgsmarienhütte. „Uns war damals wichtig, wie wir den Menschen in den Dörfern und Städten entgegen kommen können auch außerhalb der kirchlichen Räume“, erzählt der bald 60-Jährige. „Wir sind dann den Sommer über mit einer Zeltstadt durch die Kirchengemeinden in der Umgebung von Georgsmarienhütte gereist und haben in den Dörfern für ein paar Tage Angebote für Kinder gemacht und Mitarbeiterschulungen durchgeführt. Später ist daraus der Zirkus Regenbogen entstanden.“
Von 1995 bis 1999 war Lindemann Dozent an den Evangelischen Fachschulen in Osnabrück und hat Heilpädagogen, Sozialassistentinnen und Erzieher ausgebildet. „Ich habe Religionspädagogik unterrichtet und hatte dort russlanddeutsche Erzieherinnen ebenso wie muslimische“, erinnert sich Lindemann. „Das war eine ungeheure Herausforderung und zugleich ein großes Geschenk. Es entstand zum Beispiel ein Bilderbuch ‚Wir erklären den Islam‘“.
Seit 1999 ist Lindemann Diakon in der Petrusgemeinde in Osnabrück. Zehn Jahre lang war er als Gemeindediakon in der Petrusgemeinde tätig, ab dem Jahr 2008 entwickelte Lindemann dort das Projekt „Jedes Kind braucht einen Engel“. „Das ist hier ein durchmischter Stadtteil und unsere Frage war: Was ist hier die Aufgabe der Kirche?“, so der Diakon. Um die Bildung von Kindern aus armen Familien zu verbessern, begann das Projekt zunächst mit einem Mittagessen und einer Hausaufgabenbetreuung im Gemeindehaus.
Im Jahr 2011 entstand dann ein sozialer Laden. „Auch hier waren wir im Gespräch mit betroffenen Eltern. Die baten uns, nicht noch eine Kleiderkammer einzurichten. ‚Macht bitte ein Geschäft, aber mit Preisen, die uns helfen.‘ In einem Stadtteil zu gucken, was die Menschen brauchen, und daraus Angebote zu entwickeln zusammen mit den Menschen und auch gemeinsam mit anderen Partnern, das ist sozialraum-orientierte Arbeit.“
Mit den Konzepten des Sozialraum-Denkens kam Lindemann stärker in Kontakt, als er von 2010 bis 2014 mit einer Viertelstelle zum Jugendhilfeträger „Kinderhaus Wittlager Land e. V.“ wechselte. Dort war seine Aufgabe, Ehramtliche zu finden, die für die Kinder in den Wohngruppen da sind und Angebote für alle Ehrenamtliche im Wittlager Land zu entwickeln - „Wenn wir auf den Dörfern ehrenamtliches Engagement in den Vereinen fördern, entsteht ein lebenswertes Umfeld für Kinder und Jugendliche und das kommt letztlich allen zugute“, betont Lindemann.
Seit 2014 geht es in Petrusgemeinde in Osnabrück auch um die ältere Bevölkerung im Stadtteil. „Die Frage war jetzt: ‚Welche Antworten haben wir auf den demographischen Wandel?‘“, so der Diakon. Einsamkeit stellte sich als eines der größten Probleme heraus und daher gibt es im sozialen Laden jetzt jede Woche einen Kaffeetreff. Aufgrund der finanziellen Situation vieler Senioren gibt es dort jetzt auch Erwachsenenkleidung zu kaufen. Zusammen mit dem Malteser Hilfsdienst entstand ein ‚mobiler Einkaufswagen‘ und in den Räumen einer Fahrschule gibt es zweimal die Woche Beratungsangebote zu Themen, die ältere Menschen bewegen, gemeinsam verantwortet mit der Diakonie und Caritas. „Beim Kaffee-Treff und bei Info-Veranstaltungen reagieren wir auf die Wünsche, die an uns herangetragen werden: ‚Was kostet eine Beerdigung?‘, ‚Wie ist das mit der Vorsorgevollmacht?‘ oder ‚Wie komme ich mit dem Geld aus?‘“
„Nun freue ich mich darauf, die Erfahrungen weiterzugeben, die ich in der sozialraum-orientierten Arbeit gesammelt habe“, sagt Lindemann mit Blick auf die neue Aufgabe im HkD. In Osnabrück wird er mit einer halben Stelle das Projekt weiterbetreuen und die Übergabe in andere Hände vorbereiten. Im HkD möchte er in zwei Richtungen schauen: „Am Anfang werde ich vor allem den ‚Sozialraum‘ HkD erkunden“, so der Diakon. „Mit welchen Arbeitsfeldern und Kollegen oder Kolleginnen des HkD gibt es Schnittmengen? Wie können wir in unserer Arbeit voneinander profitieren? Der zweite Fokus liegt auf der Landeskirche: Wo gibt es Gemeinden, die in einen Prozess der Öffnung in den Sozialraum treten?“ Hier ist das Ziel drei Gemeinden als Pilotgemeinden auszuwählen, um exemplarisch Modelle zu erarbeiten, die dann von anderen übernommen werden können.
Vor seinen Erfahrungen im Kirchenkreis Georgsmarienhütte lernte Lindemann den Alltag auf dem Land als Jugendlicher auch hautnah kennen. Im elften Jahrgang der Fachoberschule Landwirtschaft lebte er ein Jahr lang auf einem Hof, wo er sechs Tage die Woche mitarbeitete. „Da habe ich erlebt, was es bedeutet, von seiner Hände Arbeit zu leben oder den Familienbetreib aufgeben zu müssen, weil er keine Zukunft mehr hat.“
„Mit meiner Patchwork-Familie mit zwei bis vier Kindern passe ich auch gut in jeden Sozialraum“, findet Lindemann, der, wenn er Zeit hat, sich für Modellautos begeistert oder wandert. „Im Grunde ist mein Beruf aber auch mein Hobby. Diakon zu sein ist für mich eine Haltung.“
Öffentlichkeitsarbeit im HkD