Evangelische Kirche macht Fortschritte bei Aufarbeitung von Missbrauch
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Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat seit dem vergangen Jahr Fortschritte bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen gemacht. So sollen Opfer von sexualisierter Gewalt besser als bislang am Prozess beteiligt werden. Dazu wird ein Betroffenbeirat eingesetzt, der im Frühjahr 2020 seine Arbeit aufnehmen soll, wie die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs am Dienstag bei der EKD-Synode in Dresden sagte. Fehrs ist die Sprecherin des Beauftragtenrates der EKD, der die Aufklärung koordiniert. Betroffene hatten in der Vergangenheit immer wieder gefordert, stärker an der Aufarbeitung beteiligt zu werden.
Damit setzt die EKD einen wesentlichen Punkt ihres Elf-Punkte-Plans um, den die Synode 2018 in Würzburg beschlossen hatte. Ein weiterer Punkt ist eine neue Gewaltschutzrichtlinie, die der Rat der EKD im Oktober verabschiedet hat. Darin wird unter anderem ein sogenanntes Abstinenzgebot in Seelsorge- und Vertrauensbeziehungen festgelegt. Sexuelle Kontakte in einem seelsorgerlichen Verhältnis seien mit dem Schutzauftrag der Kirche nicht vereinbar und daher unzulässig, sagte Fehrs. Die Richtlinie regelt auch die Aufgaben der Meldestellen in den 20 Landeskirchen einheitlich. Jetzt sind alle Mitarbeiter verpflichtet, bei einem begründeten Verdacht auf sexualisierte Gewalt oder bei einem Verstoß gegen das Abstinenzverbot die Meldestelle zu informieren.
Thema im Bericht des Beauftragtenrates waren auch mögliche Entschädigungsleistungen für Missbrauchsopfer. Man wolle sich Diskussionen in der katholischen Kirche über die Höhe von finanziellen Entschädigungen nicht anschließen, sagte der bayerische Kirchenjurist Nikolaus Blum, der ebenfalls Mitglied im Beauftragtenrat ist. Stattdessen wolle man Forderungen nach individueller Aufarbeitung nachkommen und sie mit einem «professionellen Anerkennungs- und Unterstützungssystem» verknüpfen, das auch nach strafrechtlicher Verjährung ohne strenge Nachweispflichten Betroffenen helfe.
Bereits im Juli hatte die unabhängige zentrale Meldestelle für Missbrauchsfälle «help!» ihre Arbeit aufgenommen. Eine solche unabhängige Anlaufstelle war von den Opfern auch immer wieder gefordert worden. Die Meldestelle wird von dem Heilbronner Verein Pfiffigunde betrieben. Bislang sind 210 Anrufe eingegangen. 40 Betroffene hätten sich durch die neue Anlaufstelle ermutigt gefühlt, erstmals über ihre Missbrauchserfahrungen zu sprechen.
Aktuell sind 770 Fälle innerhalb der evangelischen Kirche bekannt. Rund 60 Prozent ereigneten sich in Einrichtungen der Diakonie. Für die Aufarbeitung plant die EKD 1,3 Millionen Euro im kommenden Haushalt ein, zusätzlich wird ein finanzieller Puffer von einer Million Euro bereitgestellt.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, lobte die Fortschritte der EKD. «Ich sehe Ihre Entschlossenheit zu umfassender Aufarbeitung», sagte er am Dienstag vor den Synodalen in Dresden. Im Saal saßen auch Missbrauchsopfer, stellvertretend für sie sprach Kerstin Claus, die Mitglied im Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten ist. Sie forderte in einer eindringlichen und sehr persönlich gehaltenen Rede, Betroffene müssten über jeden einzelnen Schritt der Aufarbeitung mitbestimmen. Claus schilderte eigene Erfahrungen mit der Aufdeckung von Missbrauch in der Kirche. Als Jugendliche war sie mehrfach von einem Pfarrer missbraucht worden, der die Taten zugab, aber bis heute laut ihrer Aussage in der bayerischen Landeskirche als Pfarrer arbeitet.
epd