Konfirmandenunterricht statt Aufmarsch mit der Hitlerjugend
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Osnabrück. Der Konfirmandenunterricht begann für Elli Meyberg immer dienstags und donnerstags um 7.30 Uhr. "Die Nazis wollten die Nachmittage für eigene Veranstaltungen freihalten und erlaubten nur diese frühe Zeit", erinnert sich die 94-Jährige. "Zur Schule kamen wir erst zur zweiten Stunde." Auch der sonntägliche Kirchgang sei für die Konfirmandinnen und Konfirmanden Ende der 1930er Jahre ein bewusstes Bekenntnis gewesen, erzählt die Osnabrückerin. "Unser Weg führte uns an den Plätzen vorüber, an denen sich zeitgleich die Hitlerjugend und der Bund Deutscher Mädel trafen." Das alles liegt 80 Jahre zurück und ist Meyberg doch in diesen Tagen präsent. Die Feier des seltenen Eichenen Konfirmationsjubiläums steht kurz bevor.
Viele evangelische Kirchengemeinden laden einmal im Jahr - meistens im Herbst - zu goldenen Konfirmationsjubiläen ein. Die Südstadtkirchengemeinde in Osnabrück richtet die Feier am 13. Oktober nach einem Gottesdienst in der Lutherkirche aus. Elli Meyberg wird als einzige Eichen-Jubilarin im Mittelpunkt stehen.
Gefeiert wurde auch damals, am 12. März 1939, erzählt die Seniorin. "Aber nicht zu üppig", schränkt sie ein. "Man wurde aufgefordert, für die Winternothilfe zu spenden und eher bescheiden zu bleiben." Außerdem habe der Krieg seine Schatten vorausgeworfen: "Man spürte schon, dass da etwas in der Luft lag und die Stimmung war gedrückt." Ihre Mutter habe ihr aber den Wunsch nach einem blauen Kleid erfüllen können. "Das wollten damals alle haben. Meine Mutter war Schneiderin und hat mir selbst eines genäht."
Bei der Konfirmation ihrer späteren Schwägerin fünf Jahre darauf sei an so etwas gar nicht zu denken gewesen, sagt Elli Meyberg. Die Jugendlichen hätten gebrauchte Kleider getragen. "Es gab wenig zu essen und schon gar keine Geschenke. Alle bangten, ob nicht einer der vielen Bombenangriffe das Fest vereiteln würde." Aber sie hatten Glück.
Die Konfirmation war für Meyberg der Ausgangspunkt eines lebenslangen Engagements in der Lutherkirche. Die sei quasi zu ihrer zweiten Heimat geworden. Sie begann Kindergottesdienste zu gestalten. Dabei lernte Elli ihren späteren Ehemann Karl-Edzard kennen, der Küster der Lutherkirche wurde. Später war sie im Kirchenvorstand, hielt Andachten oder kochte bei Benefizessen. Auch ihre beiden Kinder wuchsen wie selbstverständlich in das kirchliche Leben und die zahlreichen Ehrenämter ihrer Eltern hinein.
Elli Meyberg empfindet es bis heute als großes Glück, in ihrer Konfirmandenzeit so viele Lieder, Gebete und Bibelverse gelernt zu haben. Gerade in der Zeit des Krieges "hat mich das getröstet und getragen". Heute, wo sie nicht mehr so gut sehe, komme es ihr sehr entgegen, dass sie viele Lieder auswendig mitsingen könne, sagt die Seniorin, die ansonsten topfit ist. "Die stehen noch immer in meinem Kopf und in meinem Herzen."
Martina Schwager/ epd