Kinder aus Gomel in Weißrussland waren zu Gast im Kirchenkreis Leine-Solling
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Northeim. Als es damals in Tschernobyl zur Explosion eines Reaktors und anschließend zur Freisetzung einer großen Menge von Radioaktivität kam, die sich schnell in der Atmosphäre ausbreitete, hielt die ganze Welt den Atem an. Es war die größte Nuklearkatastrophe der Menschheit mit Langzeitfolgen, die bis heute anhalten. Wer die glücklich spielenden Kinder hinter der Apostelkirche in Northeim sieht, mag zunächst gar nicht an das Unglück denken, doch letztlich ist auch ihr Besuch im Kirchenkreis auf den Störfall vor 33 Jahren zurückzuführen.
Die Kinder nämlich, die zum Teil mit ihren Eltern für vier Wochen bei Gastfamilien in der Region zu Besuch sind, kommen aus Gomel, einer Stadt in Weißrussland, die nur etwa 200 Kilometer von Tschernobyl entfernt ist. Damit zählt Gomel nicht mehr zur heute immer noch existierenden Sperrzone, doch es ist jene Region, in der der nukleare Regen damals herunterkam, wo die Strahlung heute noch messbar ist und es auch noch über viele Jahre bleiben wird.
An diesem beinahe letzten Tag des Aufenthalts im Kirchenkreis Leine-Solling denkt jedoch niemand an das Unglück von damals. Vielmehr wird gemeinsam gefeiert, gesungen, gespielt, gegrillt und an die schöne Zeit vom 4. Juli bis zum 1. August gedacht, in der sie alle vieles gemeinsam und auch einzeln mit den Familien unternommen haben. Sogar ein fünfter Geburtstag steht heute an, also gibt es auch Geschenke – für das Geburtstagskind und auch für alle anderen – dazu einen musikalischen Reisesegen von Pastor David Geiß und ebenso einige Lieder der Gäste, die in dieser Zeit zu Freunden geworden sind.
Seit 1994 gibt es die Aktion im Kirchenkreis, Cornelia Jäger ist als Organisatorin immer mit dabei und hat oft genug erlebt, wie Menschen durch diese Besuche zusammengewachsen sind. Manche Kinder kommen schon seit Jahren in die Gastfamilien, viele halten auch darüber hinaus engen Kontakt, nur eines macht ihr Sorgen. „Es wird jedes Jahr schwerer, neue Gastfamilien zu finden", sagt sie. 2011 durch Fukushima war das mal kurzfristig anders, doch jetzt ist das Thema für viele offenbar weit weg.
Dabei gab es doch erst jetzt die vielbeachtete Fernsehserie „Chernobyl". Hat das denn nichts gebracht? Nicht, um neue Gastfamilien zu finden, doch viele der älteren Kinder, so berichten einige, hätten durch die Serie das Bedürfnis gehabt, jetzt über all das, was damals passiert ist, zu sprechen. Anhand der Fernsehbilder ist das offenbar leichter als nur über Gespräche mit Eltern und anderen. Vielleicht braucht es also die stetige mediale Erinnerung, um all die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Um diese vier Wochen für immer festzuhalten, werden an diesem Tag noch etliche Fotos gemacht, genau wie bei den zurückliegenden gemeinsamen Ausflügen zum Theater der Nacht, in den Wildpark Neuhaus, ins Rastiland und vieles mehr. „Es ist erfüllend", zieht Cornelia Jäger Bilanz, während die Kinder ausgelassen toben und sich zwischendurch am bunten Buffet der mitgebrachten Speisen oder mit einer Bratwurst vom Grill stärken. Tatsächlich sind diese Bilder vielleicht auch eine Erinnerung daran, dass große Katastrophen leider grenzenlos sind, daher uns alle angehen und wir alle einander helfen müssen, wo es nur geht.
Leine-Solling-Pressedienst